Gordon Lightfoot
„If You Could Read My Mind“ (Gordon Lightfoot)
(aus: If You Could Read My Mind, Reprise 1970)
Zuerst gehört habe ich das Lied sicher in der deutschen Version von Daliah Lavi („Wär‘ ich ein Buch“). Danach wurde es während der Olympischen Sommerspiele von München und Montréal von der ARD als Begleitmusik zur Wahl der schönsten Sportlerin verwendet. Der Name Gordon Lightfoot sagte mir damals natürlich gar nichts, erst viel später habe ich mich mit der Biographie des Mannes befasst, dem dieser empfindsame Bariton gehört. Aber die melancholisch fließende, in sich ruhende Melodie hat mich damals so in Beschlag genommen, dass dieser Song tatsächlich zu einem der ersten Ohrwürmer meines Lebens wurde.
Gordon Lightfoot hat heute in Kanada den Status einer nationalen Legende. Die meisten seiner singenden Landsleute müssen in den 1960ern aus wirtschaftlichen Gründen in die Staaten gehen, und es gerät zu ihrem Stigma, dass viele von ihnen bis heute für Amerikaner gehalten werden. Lightfoot dagegen kehrt nach kurzem US-Intermezzo früh/bald in die Heimat zurück. Mit seiner Lesart von Country und Folk formt er einen sehr persönlichen Ton – ein Ton, der sich nie patriotisch gibt, aber das Publikum glaubt, in ihm typisch kanadische Mythen zu entdecken: Starke Naturbilder tauchen in seinen Songs auf, sie handeln vom Unterwegssein in der weiten Landschaft, von der Geschichte der Eisenbahn, dem Untergang von Schiffen, den Arbeitern auf den Wolkenkratzern. Lightfoot, der privat mit vielen Dämonen von Alkoholismus bis zu notorischer Untreue kämpft, singt auch oft über die Liebe, manchmal zynisch, nie sentimental, aber durchaus philosophisch, wie eben in „If You Could Read My Mind“.
Nach Joni Mitchell ist Gordon Lightfoot die zweite Kreativkraft aus Kanada, die diesen Monat einen runden Geburtstag feiert, und zusammen mit Joni und Leonard Cohen bildet er die Triade der größten Songwriter des Ahornstaates. Happy 80th birthday, Mr. Lightfoot!