Alle Facetten Lisboas

Das Team des Afrika-Festivals in Emmendingen hatte einen guten Riecher, als es Sara Tavares bereits 2002 als Headliner engagierte. Damals zählte die Sängerin mit kapverdischer Herkunft zu den größten Talenten der Weltmusik. Bereits als Teenagerin belegte die in Lissabon bei ihrer Großmutter aufgewachsene Musikerin für Portugal einen achten Platz beim ESC und tat sich zunächst vor allem im Soul und Gospel-Fach hervor, coverte Whitney Houston. Ab ihrem zweiten Soloalbum Mi Ma Bô von 1999 verlieh Tavares den Rhythmen und Melodien Cabo Verdes ein neues, frisches Gesicht, stellte in ihren Kompositionen die afrikanische Seite der Inseln in den Mittelpunkt.

Die typisch kapverdischen Formen wie die Morna und Coladeira, wie sie eine Cesaria Evora präsentierte, gab es bei Tavares nicht, stattdessen Anleihen an den Zouk der Antillen, Rumba aus dem Kongo, Reggae und dezente Hip Hop-Einschübe, all das kombiniert mit einem sanften balladesken Ton. Dafür arbeitete sie mit dem kongolesischen Songwriter Lokua Kanza, der die Produktion dieser frühen Platten übernahm. Ab 2005 übernahm sie für ihre Alben die Eigenregie und landete mit „Balancê“ einen internationalen Hit.

Sara Tavares: Balancê“
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Weitere erfolgreiche Alben schlossen sich an, etwa Xinti und Fitxadu, das ihr eine Nominierung für den Latin Grammy einbrachte. Immer wieder ging Tavares belebende Teamworks ein, etwa mit Popstar Nelly Furtado oder der afro-portugiesischen Hip Hop-Band Buraka Som Sistema. „Ich denke, mein Privileg ist es, dass ich durch meine Biographie mit allen Szenen Lisboas in Kontakt stehe“, sagte Tavares 2007 im Interview mit der BZ. „Es geht mir darum, die multikulturellen Facetten der Stadt, von denen man im Ausland wenig weiß, ins Bewusstsein zu heben. Schließlich leben viele Angolaner, Mosambikaner, Bissau-Guineer und Leute von den Kapverden dort.“

Bereits vor 14 Jahren war bei Tavares ein Hirntumor festgestellt worden, gegen den sie seitdem tapfer ankämpfte. Noch vor zwei Monaten veröffentlichte sie eine Single namens „Kurtidu“. Ich erinnere mich an ein langes, sympathisches Interview, das sie mir nach einem völlig verregneten und umso intensiver betanzten Konzert im Lörracher Rosenfelspark 2006 gab. Ich trauere um Sara Tavares, die am Sonntag nun viel zu frühzeitig gegangen ist.

Sara Tavares: „Kurtidu“
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Tagebuch in Tönen

Foto: Joana Linda

Eine zweifelnde Nonne, ein Schlafloser, der sich vor dem Mond fürchtet, eine Frau, die zu ihrem gealterten Spiegelbild steht, eine tröstende Ärztin – das sind die Charaktere, die Cristina Brancos neues Album Eva (O-Tone Music/edel kultur) bevölkern, ihr persönlichstes überhaupt. Fado war vorgestern.

Von spröden Electronica-Tributen bis zu seichtem Orchesterteppich reichten 2020 die Beiträge, die große Fado-Ikone Amália Rodrigues zu ihrem 100. Geburtstag zu ehren. Es ist sehr signifikant, dass Cristina Branco gerade jetzt ihr erstes Album herausbringt, das jegliche Fado-Spuren getilgt hat. Ihr Ton war schon lange ein anderer, einer, der sich in Richtung sehr persönliches Songwriting abkoppelte und nun seinen Höhepunkt erreicht hat: mit der Beendigung einer Albumtrilogie, in der es ihr um die weibliche Perspektive geht.

Der Weg dahin war ein dorniger, mit einer Talsohle im Jahre 2006: „Ich wusste damals überhaupt nicht, in welche Richtung meine Karriere weitergehen sollte“, sagt Branco. „Da war eine junge Frau mit einem erdrückend vollen Terminkalender, die keine Zeit mehr für ihre Familie, ihr erstes kleines Kind hatte. Das überrollte mich ganz dramatisch, ich wurde krank, hatte Halsschmerzen, sobald ich einen Ton sang. Damals schrieb ich mir ein paar Versprechen an mich selbst auf, die mein Verständnis von Freiheit festlegten.“ Während sie sich bei einer Auszeit in Dänemark „reparierte“, begann sie ein Tagebuch, und kreierte dafür ihr Alter Ego namens „Eva“. Lange blieben die Einträge im „Eva“-Diary unter Verschluss, auch wenn die beiden kürzlich erschienenen Alben „Menina“ und „Branco“ schon ausgeprägt weibliche Themen hatten.

„Von Beginn meiner Karriere an habe ich große Sorgfalt darauf verwendet, was ich den Menschen erzähle. Ich bin nicht an Märchen interessiert, sondern an der Realität, an Dingen, die ich selbst erfahren habe. Meine Alben bekamen deshalb immer mehr biographische Züge. Aber so viel von mir selbst zu zeigen, davor fürchtete mich ein bisschen.“ Sie traute sich schließlich mit einem Kniff: Jungen lusophonen Songwritern und Poeten, vom gefeierten angolanischen Literaten Kalaf Epalanga über die Kapverdin Sara Tavares bis zum blutjungen Liederschreiber Churky, schickte sie ihre Niederschriften. Und die destillierten aus den dreizehn Jahren von Evas Einträgen Geschichten, die nun zu einem intimen Zyklus gebündelt sind. „Als die Demos eintrafen, fühlte ich mich sehr nackt, denn ich hörte ja meine persönlichsten Dinge aus dem Munde anderer“, so Branco. Diese Nacktheit spiegelt sich auch in den Bildern des Booklets. Die Porträts der Sängerin wurden teils verfremdet, erwecken so die Illusion, man sähe sie in verschiedenen Rollen und Altersstufen – und immer blickt sie einem nackt, ungeschönt, ja schonungslos entgegen.

Umgesetzt hat Cristina Branco das vertonte Tagebuch mit ihrem bewährten Quartett, das Jazzvokabular mit der portugiesischen Gitarre von Bernardo Couto kombiniert und so eine ganz eigene, zeitgenössische, genauso pop- wie kammermusikalische Klangsprache schafft. Mal kommt ein kreolischer Groove ins Spiel, wie etwa beim sonnigen „Quando Eu Quiser“, mal ein süffig-ironischer Walzer, wenn in „Inferno Do Céu“ von einer Nonne erzählt wird, die in einem Monolog zwischen der unzeitgemäßen Bigotterie der Kirche und ihren eigenen Sünden herumlaviert. In „Mau Feitío“ schraubt sich das Arrangement zu einer atemberaubenden melodischen Klimax, wenn das Charakterbild einer getriebenen, schlaflosen Person gezeichnet wird. Und im komplexen „Contas De Multiplicar“, dem sie selbst den Text verpasst hat, spricht sie von den Versuchen, der Umwelt seine wahre Persönlichkeit zu offenbaren, mittels unsichtbarer Landkarten, die unter der Oberfläche des Körpers verborgen sind.

Cristina Brancos Zusammenarbeit mit einer Riege unorthodoxer Songwriter jenseits der Fado-Welt zeigt mittlerweile zweifach Früchte: „Ich spüre, wie zu den Konzerten immer mehr junge Leute kommen. Die haben Fado immer abgelehnt, sind aber jetzt bereit, sich mit portugiesischer Kultur auseinanderzusetzen, sie in meiner neuen Klangwelt zu erleben. Es ist wunderbar mitzuerleben, wie sie die portugiesische Tradition in diesen neuen Kleidern Schritt für Schritt verstehen und respektieren. Und auf der anderen Seite ist es interessant, dass durch meine Musik diese jungen Autoren entdeckt werden. Das ist aufregend und verleiht meiner Arbeit eine ganz neue Bedeutung – über den Gesang hinaus.“

© Stefan Franzen, erschienen in Jazz thing #137

Cristina Branco: „Quando Eu Quiser“
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Mango-Metamorphose

Eine Widmung an eine tropische Frucht stellt sie ins Zentrum ihres ersten Werks seit fünf Jahren. Mayra Andrade lässt aus ihren kapverdischen Wurzeln ein elegantes Urban Africa-Gewächs erblühen. Vor einem Konzert im Zürcher „Moods“ konnte ich Mayra zum Interview treffen.

Mayra, dein Album hast du Manga genannt, nach dem portugiesischen Wort für Mango. Warum?

Mayra Andrade: Aus mehreren Gründen, Es ist meine Lieblingsfrucht, die Königin der tropischen Früchte. Sie ist gut fürs Herz. Es ist eine Frucht, die sehr sinnlich ist und für mich sehr gut die Weiblichkeit repräsentiert. Während ihres Reifungsprozess macht sie eine Wandlung durch, ihre Farbe wechselt, ihr Geschmack, ihr Duft. Und es ist eine tropische Frucht, sie ist sehr sonnenliebend. Ich finde, sie ist eine hübsche Metapher für mein Album.

Was Manga von deinen früheren Werken unterscheidet ist der diskrete elektronische Sound. Die beiden Beatmaker heißen 2B und Akatché. Wie bist du auf sie gestoßen und warum hast du dich entschieden, einen anderen Sound auszuprobieren?

Andrade: Das Album wurde von 2B und Romain Billharz koproduziert. Billharz ist kein Beatmaker, er ist künstlerischer Leiter und hat zum ersten Mal ein Album produziert. Akatché ist ein Teil des Kerns dieser Musiker, zu denen auch JC, der Gitarre gespielt hat, gehören. Wir haben sehr lange nach Leuten gesucht, mit denen wir dieses Album produzieren könnten, haben viele Versuche mit anderen gemacht, die nicht funktioniert haben, die sich nicht dem Sound genähert haben, den ich im Kopf hatte. Erstmals habe ich Demos verschickt, und diese Musiker haben mir ein, zwei Titel zurückgeschickt, die nach dem klangen, was ich wollte. Sie hatten begriffen, was ich vorhatte, und deshalb haben wir dann das ganze Album mit ihnen gemacht. Du hast Recht, wenn du sagst, dass die Beats diskret sind, ich würde es so formulieren: Sie sind organisch. Sie sind sehr präsent, aber sie fügen sich organisch ein. Das war mir sehr wichtig, denn ich komme aus einem akustischen Universum, und ich wollte, dass die Akustik anwesend ist durch eine traditionelle kapverdische Gitarre, das Cavaquinho, durch meine Stimme, die sehr warm ist. Ich wollte also Beats und Soundprogramme, aber ich suchte nicht nach einer kalten und digitalen Ästhetik. Die Beats sollten effektvoll sein, aber in warmen und organischen Farben.

Es gibt gerade eine große afro-portugiesische Szene in Lissabon, junge Musiker, die von den Kapverden, aus Angola und Mosambik kommen, deren Musik sehr clubtauglich, tanzbar ist, sich auf Rhythmen wie den Kuduro und die Kizomba beruft. Versuchst du dich mit dem Stilwechsel den Fans dieser Musik anzunähern?

Andrade: Ich glaube mit diesem Album habe ich mich sehr auf die aktuelle Zeit ausgerichtet, habe mich meiner eigenen Generation angenähert. Da ist es ganz natürlich, dass man ein jüngeres Publikum anzieht. Ich habe zum Beispiel mit Branco gearbeitet, einem der Leader von Buraka Som Systema, und die sind die führenden Köpfe dieser afro-lusophonen Szene in Lissabon. Dieses Teamwork, das ich vor drei Jahren einging, hat mir gezeigt, dass ich mich auch in anderen Klangfarben ausdrücken kann. Das Stück heißt „Reserva Pra Dois“ und die Leute lieben es. Dass ich in dieser Tonsprache angekommen bin, ist also ganz natürlich geschehen. Nach und nach habe ich mehr Lust bekommen, légerer zu werden, Spaß auf der Bühne zu haben, mich mit meiner Musik zu amüsieren, zu tanzen. Vor drei Jahren bin ich nach Lissabon umgezogen und habe dort viele Verbindungen zur afro-lusophonen Szene geknüpft. Ich habe auch eine Reise nach Ghana unternommen, wo ich in die Afrobeatz-Szene eingetaucht bin, eine Bewegung, die aus Nigeria und Ghana kommt und die ganze Welt beeinflusst hat. Da bin ich keine Ausnahme: Ich bin Westafrikanerin, und lasse mich von meinem Kontinent inspirieren, um eine Musik für die heutige Zeit vorzustellen.

Foto: Stefan Franzen

In mehreren Stücken gibt es diese in höchsten Lagen gespielten E-Gitarrenriffs. Das erinnert mich an die Rumba Congolaise, den Soukouss der 1960er bis 1980er…

Andrade: Das ist eine Kreuzung verschiedener Epochen, da steckt das Afrika der 1960er und 70er drin,  zugleich aber mischt sich das mit dem zeitgenössischen Afrika, fast urban. Das war eine Musik, die den ganzen Kontinent zum Tanzen gebracht, andere Kulturen beeinflusst hat, und die auch heute immer noch funktioniert.

Im Gegensatz zum Vorgängeralbum Lovely Difficult singst du etliche Stücke auf Kriolu. Welche Bedeutung hat die Sprache für dich? Hilft sie dir, deine Identität zu wahren?

Andrade: Auf Kriolu zu schreiben, heißt für mich, den Esprit eines Volkes zu transportieren. Die Kapverden sind ein sehr kleines Land mit 500.000 Einwohnern und einer Million Emigranten. Die Diaspora ist viel größer als die Menschen, die daheim leben. Und die Brücke zwischen den Kapverden und ihren Kindern, die über die ganze Welt verstreut leben, ist Kriolu, nicht Portugiesisch, auch wenn es auf den Inseln als offizielle Sprache gesprochen wird. Die Kapverdier, die in den USA leben, das ist eine halbe Million, sprechen Englisch und Kriolu, die in Holland Niederländisch und Kriolu, die in Frankreich Französisch und Kriolu, nicht Portugiesisch. Das Kreolische ist unsere „Flagge“. Und ich denke, auch wenn es für mich eher leicht ist, in verschiedenen anderen Sprachen zu singen, in Englisch, Französisch und Portugiesisch, bleibt Kriolu die Sprache, in der ich eine größere Ausdruckskraft habe, mehr Esprit. Wenn ich auf Kriolu singe, dann fühle ich, dass da etwas in mir wohnt. Das ist ein sehr lusophones Moment, also wollte ich auch auf Portugiesisch singen, und bemerkenswerterweise habe ich das noch nie zuvor getan. Vier portugiesische Songs sind auf dem Album. Auf Französisch und Englisch hatte ich dieses Mal keine Lust. Ich mag es, Alben zu machen, die der Aufrichtigkeit des Moments entsprechen, ohne Kalkül.

Wenn du auf Kriolu Texte schreibst, greifst du dann auf Vorbilder zurück, oder ist die Art, wie du Worte verwendest eine neue kreolische Poesie?

Andrade: Ich weiß nicht, ob ich einen neuen Stil geschaffen habe, auf jeden Fall ist mein Stil sehr persönlich, das ja. Ich antworte nicht auf eine bestimmte Linie oder eine Schule, meine Sprache ist sehr vielfältig ist, bilderreich, und bietet viele Möglichkeiten der Deutung, wenn man sich ein bisschen hineingräbt.

“Vapor Di Imigrason” klingt sehr traditionell, ist das deine Art und Weise eine Coladeira zu modernisieren?

Andrade: Ja. Dieses Stück ist tatsächlich traditioneller, ich habe es schon 2002 geschrieben. Aber ich habe es nie aufgenommen, denn ich fühlte, dass es noch nicht bereit war. Meine Freunde haben so oft gesagt: «Warum nimmst du dieses Stück nicht auf ? » Es hatte etwas sehr Besonderes, aber auch irgendetwas, das nicht passte. Jetzt habe ich es umgearbeitet, es bereichert. Mich berührt das Lied sehr, denn ich widme es allen Emigranten, und die Kapverdier sind ja immer ein Volk von Emigranten gewesen. Heute hat dieses Thema einen aktuellen Bezug, es spricht von den Opfern, die man bringen muss, wenn man auswandert, und von der Hoffnung, dass man eines Tages nicht mehr von zuhause weggehen muss. Man muss sich immer wieder ins Gedächtnis rufen, dass sehr wenige Menschen aus freien Stücken ihr Land, ihre Familie, ihre Kultur verlassen. Die Umstände sind manchmal sehr schwierig, sehr dramatisch. Es ist oft eine Frage des Überlebens. Dass sich das Lied traditioneller anhört, liegt also daran, dass es schon 17 Jahre alt ist. Damals habe ich gerade das Haus meiner Mutter verlassen, um in Paris zu leben, ich war 17. Und ja, es hat diesen Esprit der Coladeira, der die Leute anzieht, besonders im Refrain.

Mayra Andrade: „Vapor Di Imigrason“ (live aux Bouffes du Nord)
Quelle: youtube

In “Segredu” sprichst du von einer Sirene, von den Wellen, vom Sand– maritime Bilder sind herausragend in deiner Poesie.

Andrade: Die maritimen Bilder sind eine kapverdische Konstante. Wir sind Insulaner, und das Meer kann verschiedenste Sachen verköprern. Es kann für den Abschied stehen und die Rückkehr. Es kann eine Brücke aber auch eine Trennung sein, es ist wie eine Straße, auf der uns viele Sachen passieren können. Ich kann dir nicht erzählen, um was es in diesem Lied geht. Der Titel heißt „Geheimnis“, und tatsächlich geht es dabei um ein Geheimnis, das mir jemand anvertraut hat. Wenn man die Geschichte liest, dann ist das eine Ebene, aber diese Person und ich kennen die zweite Bedeutung.

Den Löwenanteil der Stücke hast du selbst komponiert, aber es gibt auch Übernahmen von anderen Songwritern. “Tan Kalakatan” zum Beispiel ist von Princezito, der eine sehr wichtige Persönlichkeit ist in der Musik von Cabo Verde. Welche Bedeutung hat er für dich?

Andrade: Princezito ist ein Sänger, den ich mit 15 Jahren getroffen habe. Auf meinem ersten Album habe ich ein Lied von ihm aufgenommen, das „Lua“ heißt. Vor der Aufnahme habe ich die Kapverden 2001 beim internationalen Wettbewerb „Jeux de la Francofolie“ in Kanada vertreten. Dort habe ich „Lua“ und drei andere Lieder gesungen und habe für die Kapverden die Goldmedaille geholt. Das war ein wichtiges Debüt für mich. Fünf Jahre später habe ich mein erstes Album aufgenommen und dieses Lied draufgepackt. Bis heute singe ich es in Konzerten, denn das Publikum verlangt danach. Wir haben alle ein paar „Pflicht-Lieder“ und mit „Lua“ vebrinden die Menschen meine Musik, ich habe zehn oder fünfzehn Arrangements davon. Aber seitdem hatte ich nie mehr ein Lied von Princezito aufgenommen. Jetzt komme ich mit einem aus seiner Feder zurück, das ich sehr stark finde. Es gibt so einige Komponisten, von denen ich nicht viel aufnehme, aber wenn ich es dann tue, dann schaffe ich es, die spezielle Perle zu finden.

“Terra da Saudade” stammt von Luisa Sobral, der Schwetser des ESC-Siegers Salvador Sobral. Es scheint mir, dass sie den Terminus Saudade in einer auf den Kopf gestellten Weise einsetzt, es geht um einen ort, an dem niemand träumt, niemand liebt, niemand küsst…

Andrade: In diesem Text geht es nicht um Portugal und es geht auch nicht um die Kapverden. Vielmehr geht es um einen imaginären Ort. Inspiriert ist der Text von der wichtigen mosambikanischen Autorin Mia Couto. Ich habe zu Luisa gesagt: “Glaubst du nicht, dass die Leute denken, dass sei eine bizarres Bild von den Kapverden?“ Und sie meinte: „Aber nein, das hat mit den Kapverden gar nichts zu tun, ich beschreibe genau das Gegenteil!“

Der einzige Chanson, der ganz akustisch bleibt, ist “Guardar Mais” von Sara Tavares. Seid ihr beiden als kapverdische „Schwestern“ eng miteinander?

Andrade: Ja, wir sind seit langem enge Freundinnen. Wir haben schon zusammen auf der Bühne gesungen. Sara ist jemand, vor der ich enormen Respekt und Bewunderung habe. Wir wohnen in Lissabon nicht weit auseinander. Sie hat meine Version von “Guardar Mais” sehr gemocht. Ich weiß nicht, warum sie das Lied nie selbst aufgenommen hat, aber es freut mich, dass sie es mir angeboten hat.

Schon auf Lovely Difficult hast du über die Insel Santiago gesungen, hier taucht sie mit „Festa Santo Santiago“ wieder auf. Welche Verbindung hast du zu dieser Insel?

Andrade: Das ist meine Insel! Es war die erste kapverdische Insel, die bevölkert wurde und zugleich ist sie die afrikanischste. Man findet dort Rhythmen wie die Funaná, den Batuque, die Tabanka, die findet man auf anderen Inseln nicht. Die Hälfte der kapverdischen Bevölkerung lebt auf Santiago. Die Einwohner heißen Badiu, ich bin eine Badia. Man sagt von ihnen, dass sie etwas zäher sind, wie Bauern, Menschen, die die Erde bearbeiten. Wir lächeln nicht ohne Grund, sind aber trotzdem sehr warmherzig, es sind Menschen, die authentisch sind.
Das Lied „Île de Santiago“ auf dem letzten Album war eine Widmung an alle Songschreiber aus Santiago, an alle Folkloremusiker. Dieses Lied, „Festa de Santo Santiago“ bezieht sich auf den Heiligen der Insel, den San Tiago, für ihn gibt es viele Feste in den Bergen, auf dem Land, viele Konzerte werden veranstaltet, es ist sehr volkstümlich. Das Lied beschreibt all die Festlichkeiten, die Messen, das Essen. Es wird vom Badiu mit seinem Messer gesprochen, das er als Zeichen des Respekts trägt und von seinem Akkordeon, auf dem er die Funaná spielt.

Und gibt es dort auch Mangobäume?

Andrade: Ja, wir haben sehr, sehr gute Mangos!

© Stefan Franzen
Mayra Andrade tritt am 26.7. im Rahmen des Stimmenfestivals im Rosenfelspark Lörrach auf.

Mayra Andrade: „Manga“
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