Anmut und Gnade

Lizz Wright
Grace
(Concord/Universal)

Erstmals geleitet die Frau aus Georgia mit dem seelenvollen Alt ihre Hörer durch einen ganzen Zyklus von Coverversionen, die alle unter dem Motto „Gnade“ beziehungweise „Anmut“ stehen, beides mögliche Übersetzungen von „Grace“. Für die notwendige Verklammerung auf ihrem sechsten Album sorgt inmitten einer Könnerband – mit unter anderem Marc Ribot an der Gitarre und David Piltch am Bass – Joe Henry, einer der feinfühligsten Roots-Produzenten der Staaten. Denn das Spektrum reicht weit: Vom dunklen Blues „Barley“ über den erhabenen Gospelton in „Seems I‘m Never Tired Lovin‘ You“ geht die anmutige Reise, macht Station bei einem seltenen Bob Dylan-Song („Every Grain Of Sand“) und dem Orgelgeglucker in Ray Charles‘ „What Would I Do Without You“. In der Mitte siedelt mit dem Titelstück eine sehnsuchtsvoll loderne Hymne aus der Feder der Kanadierin Rose Cousins, stark auch die Standard-Ballade „Stars Fell On Alabama“, die hier vom Jazz zum folkigen Hauch getragen wird. Auch mit Fremdmaterial schafft Wright ihre unverwechselbare Verknüpfung von ländlicher Südstaaten-Ästhetik mit glamourfreiem Jazzgesang.

Lizz Wright: „Seems I’m Never Tired Lovin‘ You“ (live)
Quelle: youtube

 

Side tracks #19: Texas Eagle & Sunset Limited

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flagge-vereinigte-staaten-von-amerika-usa-flagge-button-50x75Billy Bragg & Joe Henry
Shine A Light
(Cooking Vinyl/Sony) 

Für einen Produzenten, der im Studio einen sehr eigenen, ausgetüftelten Sound schafft, müssen Feldaufnahmen wohl ein Graus sein. Nicht im Falle von Joe Henry: Mit seinem britischen Kumpan Billy Bragg nutzte er Schlafwagen, Gleise und Bahnhofshallen als Aufnahmeort. Die musikalische Zugreise quer durch die USA erscheint nun als Shine A Light. Zum Album habe ich Joe Henry interviewt.

Wenn die beiden Herren mit ihren Gitarren an diesem frühen Märzmorgen durch die große Halle der neoklassizistischen Chicago Union Station schreiten, fällt dem Zuschauer des Promoclips vor allem eines auf: die heutige Überdimensionierung des fast leeren Gebäudes. Bahnfahren in den USA scheint im Jahre 2016 kein großes Thema mehr zu sein. Fast beschwörend sagt Billy Bragg: „Wir wollen die Kunde verbreiten, dass es noch einen anderen Weg gibt, Amerika zu durchqueren.“ Die Idee des britischen Woody Guthrie-Verehrers und politisch engagierten Songwriters: Mit seinem alten Freund Joe Henry, der schon sein letztes Werk Tooth & Nail produziert hatte, die Staaten auf Schienen zu bereisen und die Unplugged-Reise auf einem Album zu dokumentieren. Weiterlesen