Zuckerhutsüß

Various Artists
Too Slow to Disco Brasil, compiled by Ed Motta
(How Do You Are/Rough Trade)

Die Reihe Too Slow to Disco erfreut sich seit ein paar Jahren großer Beliebtheit bei DJanes und DJs, die ein seliges Lächeln auf das Gesicht der Tanzenden zaubern wollen. Sie schließt zugleich eine vormals bestehende Lücke in der Schwemme von Kompilationen, die des Sunshine Pop und Yacht-Rock, einem schwammigen Genre vor allem der 1980er: meist zu gefällig für Funk, ein wenig zu jazzig für die Hitparaden und eben zu langsam für die Disco. Ein großer Connaisseur dieses Fachs ist der Brasilianer Ed Motta, von Anfang an Fan der Serie, wie er mir  2015 im Interview verriet. Ehrensache, dass „Edschi“ nun ein eigenes Brasilienkapitel kompiliert hat.

Die neunzehn Tracks warten außer mit Sandra Sá, Cassiano und Rita Lee kaum mit international bekannten Namen auf, vielmehr mit grandiosen Entdeckungen. Im Opener kontrastiert Filó Machados melancholische Stimme mit einem Staccato-Bläsersatz, in Junior Mendes‘ „Copacabana Sadia“ sendet die glühende Abendsonne zu Posaune, schwülem Keyboard und jubilierenden Chören letzte Strahlen. Guilherme Arantes gießt Achtziger-Süße über die Bossa Nova, feinen Tropenfunk mit Knackgitarre und Keyboardbass liefert Santa Cruz, Rockqueen Rita Lee säuselt sinnlich durchs Finale. Und ein echter Funk-Hammer ist trotzdem vorhanden: Brylhos „Joia Rara“ – fürwahr eine rare Perle.

Brylho: „Joia Rara“
Quelle: youtube

Weihnachtsgruß aus Rio

cassiano 1

Er gilt als der Stevie Wonder Brasiliens und hat mit Cuban Soul 1976 eines der wichtigsten und schönsten Alben des Black Rio-Movements veröffentlicht. Dass ein Soul-Crooner sein Werk, das Stück um Stück immer mehr funky wird, mit einer Weihnachtsballade eröffnet, da gehört schon ziemlich viel Chuzpe dazu.

„Hoje É Natal“, mein saisonaler Gruß aus den Tropen an alle Blog-Leser, verbunden mit den besten Wünschen für 2016.

Cassiano: „Hoje É Natal“
Quelle: youtube

Ein kolossaler Nerd

ed motta - aor

Wein, Vibes und Gesang
– ein Interview mit Ed Motta

Er wirkt seit Ende der 1980er als die Referenzgröße des Soul und Funk in Brasilien schlechthin. Ed Motta, der Neffe des früh verstorbenen Soulgiganten Tim Maia, ist eine Ausnahmeerscheinung in der Musikszene des Riesenlandes. Es gibt keine Musikepoche, in der sich der Vinylfreak nicht auskennt, kaum einen Stil, den er nicht schon mit eigenen Kompositionen selbst beackert hat. Ed Motta: ein umtriebiger Hedonist und in jeder Hinsicht kolossaler Nerd, der zudem auch noch grandioser Hobbykoch, Tee-, Bier- und vor allem Weinkenner ist. Vor seinen Konzerten beim Zürcher Jazznojazz-Festival (1.11.) und im Club des Bahnhofs Ehrenfeld in Köln (5.11.) habe ich ihn befragt. Weiterlesen