Bixiga 70
Listenreich II: 23 Alben für 2023
Aron & The Jeri Jeri Band (Neuseeland/Senegal): Dama Bëgga Ñibi (Urban Trout Records/Indigo)
Balimaya Project (UK): When The Dust Settles (New Soil)
Bixiga 70 (Brasilien): Vapor (Glitterbeat/Indigo)
Adriana Calcanhotto (Brasilien): Errante (Modern/BMG)
Sarah Chaksad Large Ensemble (Schweiz): Together (Clap Your Hands)
Joy Denalane (Deutschland): Willpower (Four Music)
Carla Fuchs (Deutschland): Songbird (Talking Elephant)
Gurdjieff Ensemble (Armenien): Zartir (ECM)
Yumi Ito (Schweiz): Ysla (enja records Yellow Bird)
Petros Klampanis (Griechenland/USA): Tora Collective (enja)
Baaba Maal (Senegal): Being (Atelier Live)
Maro (Portugal): Hortelã (Secca Records)
Masaa (Deutschland/Libanon): Beit (Traumton/Indigo)
Marco Mezquida (Menorca): Tornado (Galileo)
Bänz Oester & The Rainmakers (Schweiz/Südafrika): Gratitude (enja)
Sílvia Pérez Cruz (Katalonien) Toda La Vida, Un Dia (Sony)
Golnar Shahyar (Iran/Österreich): Tear Drop (Klaeng Records)
Slowfox 5 (Deutschland): Atlas (rent a dog/AL!VE)
Salvador Sobral (Portugal): Timbre (Warner)
Faraj Suleiman (Palästina): As Far As It Takes (Two Gentlemen)
Dudu Tassa & Jonny Greenwood (Israel/UK): Jarak Qaribak (World Circuit/BMG)
West Trainz (Kanada): Rail Nomads (L-Abe)
Adrian Younge & Tony Allen: (USA/Nigeria): Jazz Is Dead 18 (International Anthem)
Dampfmachen in São Paulo
Bixiga 70
Vapor
(Glitterbeat Records/Indigo)
Die funkensprühendste Kapelle im Reich der afrobrasilianischen Funk-Bigbands? Nach dem Genuss von Vapor dürfte das kaum noch jemand bestreiten. Der fünfte Wurf der zehn Musiker aus São Paulo, der tatsächlich titelgemäß ordentlich „Dampf“ macht, zeitigt ein paar Verschiebungen der tektonischen Soundplatten, bedingt durch Umbesetzungen im Line-Up. Nach wie vor ist da die satte Bläserwand, aber sie befindet sich jetzt im Wettbewerb mit einem Keyboard-Park des 21. Jahrhunderts.
Mit Kuhglocken und gemächlichem Atem von Baritonsax bis Flöte beginnt „Malungu“, doch irgendwann zieht das Tempo an, und bassige Tastenmonster schieben sich unter die nervös reagierenden Ventile. Richtig futuristisch wird es in „Na Quarta-Feira“: Ein helles Gitarren-Ostinato streitet mit den chromatischen Blubber-Moogs, und dazu walzt die Hörner-Abteilung schwer durchs Gelände. Freundlichere Party-Töne gestattet man sich mit „Parajú“, das zu Rhythmen aus dem Norden Brasiliens Keyboard-Arpeggien mit dem Testosteron von Hardrock-Gitarrensoli abfeiert.
„Baile Flutuante“ ist der Afrobeat-Ausflug des Albums, der freilich mit etlichen Brasil-Abwandlungen vollzogen wird und irgendwann mit jeder Menge afrobrasilianischer Perkussion und Näselgitarre auf Abwege gerät. Sogar mit arabesken Skalen vom Synth kommt „Mar Virado“ daher, hat dann bei einem Posaunensolo noch seinen New Orleans-Moment. Nach einer halben Stunde ist man allein vom Zuhören durchgeschwitzt, zum Glück gibt es in der Auslaufspur Chilliges. Ein ekstatisches Kraftpaket – als hätte es eine Pandemie nie gegeben.
© Stefan Franzen