Alma
Rudolstadt: Kleine Nachlese
Das 27. Rudolstadt-Festival ging am Sonntag zu Ende. Eine der Entdeckungen: Das äthiopische Krar Collective, in dem der Mulatu Astatke-Schützling Temesegen Zeleke die Krar-Leier, deren Geschichte bis in die Zeit von König David zurückreichen soll, elektrisch verstärkt hat. Mit Trommeln, Gesang und vor allem kostümschwangerem Tanz wird die alte äthiopische Musik unwiderstehlich funky aufbereitet.
Der Südinder Chitravina N Ravikiran dürfte bislang einer der wenigen sein, der in Deutschland die karnatische, bundlose Zither Chitravina vorgestellt hat. Ihr Klang: ein bisschen wie eine Slidegitarre, der man die Mikrotonalität eingepflanzt hat.
Dass den Musikern des algerischen Châabi-Orchesters El Gusto keine Visa erteilt wurden, sorgte für Enttäuschung bei Tausenden von Besuchern, die auf arabeske Nostalgie eingestellt waren. Doch für die kanadischen Bears of Legend war es Glück im Unglück: Sie schlüpften in die Programmlücke, fanden sich unverhofft auf der großen Heinepark-Bühne wieder und kamen bei ihrem allerersten Deutschland-Auftritt überhaupt gleich ins Fernsehen.
Mit dem Trio da Kali standen gleich drei Griots aus Mali auf der Bühne, die gerade mit dem Kronos Quartet eine CD eingespielt haben. Lassana Diabaté bediente das Balafon und geleitete im Park in den heißen Finalsonntag hinein.
Völlig zurecht unter den diesjährigen Preisträgern der RUTH: Das österreichische Quintett Alma, das auf der Burgterrasse die Volksmusik aus dem Salzkammergut und dem Traunviertel in fast spiritueller Art und Weise mit Tönen aus Skandinavien und Sizilien vereinte.
alle Fotos Stefan Franzen
Neue alpine Seele
Alma
Oeo
(col legno / Harmonia Mundi)
Die Musik der Alpen hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten immer mehr zur Welt hin geöffnet. Man spricht in Österreich und der Schweiz, in Südtirol und Bayern von einer „Neuen Volksmusik“, die mit den alten Klischees vom Schuhplatteln und Jodeln nichts mehr zu tun und stattdessen einen jungen, frischen, kosmopolitischen Anstrich hat. Ihre Wurzeln baut diese Generation aber dennoch raffiniert in die neuen Klangwelten ein. Dass das neue Werk des Ensembles Alma Oeo heißt, also einen Jodel-Laut aufgreift, ist mit seinem Bezug zum Alten völlig natürlich. Das Quintett, vier Frauen an Gesang, Geigen, Akkordeon und Kontrabass, sowie ein Mann an der Geige, stellt neben dem Blechblas-Septett Federspiel die Speerspitze der österreichischen Alpen-Avantgarde.
Eine erdige Polka, skandinavisch angehaucht, bekommt urplötzlich einen bluesigen Anstrich. In dichtem harmonischen Satz kreist ein Sommerwalzer, und ein Ländler aus dem Salzkammergut klingt wie ein erhabener Hymnus. Experimentell, ohne Scheuklappen vor der stimmlichen Reibung und der kratzenden Fiedel wird das Titelstück zum fernen, von Jazz aufgeladenen Gruß an vergangene Jodelvokabeln. Bei einem Ausflug ins süditalienische Apulien verbindet sich Liebesschmerz mit archaisch anmutendem Trauergesang. Und in ihrer Widmung an Anton Bruckner knüpfen die fünf Musiker Volkston an sakrale Innigkeit, ebenso wie sich das meditative Wehen des Akkordeons in „Tranquilla“ mit einer zackig-swingenden Sequenz abwechselt, in der die Violine aufschreit. Einen kleinen Einblick ins Paradies gewährt das finale Stück mit dem wunderbaren Titel „Renate grüßt das Universum“, inklusive versteckter Anleihen bei der Country- und Minimal-Musik. Das alles hat neben dem Innovationswillen vor allem viel Herzblut – und viel „Seele“, was ja die eigentliche Bedeutung des beliebten Frauennamens aus dem Alpenland ist.
Alma: „Questa Mattina“ (live)
Quelle: youtube
Rudolstadt-Vorfreude 2017
Das Rudolstadt-Festival hat heute sein Programm veröffentlicht. Neben dem Länderschwerpunkt Schottland möchte ich schon mal drei Empfehlungen aussprechen, für die allein es sich lohnt, vom 6. bis 9. Juli nach Thüringen zu fahren: