Was sich hinter dieser Musik verbirgt und wie La Yegros ihn auf ihrem neuen Werk HAZ („Lichtstrahl“) verarbeitet hat, das erfuhr ich im Gespräch mit der Sängerin aus Buenos Aires, die mittlerweile in Paris lebt.
herzlichen Dank für Eure Offenheit, mich am vergangenen Sonntag während der Lesung und Listening Session zu meinem Buchrelease im Jazzhaus Freiburg so stimmungsvoll, begeistert und anregend zu begleiten. Ungefähr 100 Gäste haben die Geburt von „Ohren auf Weltreise“ mit mir gefeiert und sich auf fremde Töne eingelassen.
Danke an alle, die mich im Vorfeld in der Werbung und während des Abends mit Technik und Logistik unterstützt haben, insbesondere Ingo, Kathi, Kyara, Renate, Gina, Jürgen, Christopher, René, Wolfgang und Jens. Muito obrigado auch für Eure tolle Resonanz im Nachklang!
Besonders freue ich mich darüber, dass Matthieu Saglio mit mir die Bühne geteilt hat und nach meinem Part ein wirklich überirdisches Set gespielt hat. Merci mille fois, Matthieu!
Heute darf ich auf die Musikpassagen von SWR Kultur hinweisen, die zum 50. Jahrestag der portugiesischen Nelkenrevolution nochmals meine Sendung über den Liedermacher José Afonso ausstrahlt:
SWR Kultur – Musikpassagen Donnerstag, 25.04.2024 – 20h03-21h „50 Jahre Nelkenrevolution – Die politische Poesie von José Alfonso„
von Stefan Franzen Sein Lied „Grândola, Vila Morena“ gab am 25. April 1974 das Startsignal für die Nelkenrevolution. Für viele Portugiesen ist José Afonso eine der wichtigsten Persönlichkeiten des Landes. Nun wird sein Werk auf dem eigens gegründeten Verlag Mais 5 neu aufgelegt.
Lehrer, Sänger, Antifaschist – die biographischen Facetten des 1987 verstorbenen Liedermachers sind vielfältig. Mit bildreicher Poesie kämpfte er gegen die Diktatur, wurde zum Sprachrohr der Arbeiter und Studenten, zur Ikone des Neubeginns. Seine Musik gilt als pionierhaft: Sie vereint Volksliedtraditionen mit afrikanischen Einflüssen, eine ausdrucksstarke Stimme mit spannenden Arrangements. Im Gespräch mit Afonsos Tochter Helena und dem Musikproduzenten Nuno Saraiva sowie anhand seiner musikalischen Meilensteine zeichnet Stefan Franzen das Bild eines Mannes, der mit seinem humanistischen Ansatz wieder hochaktuell ist.
Refugien, Rückzugsorte, Fluchtpunkte – gerade in unserer krisenbeladenen Zeit sind sie gefragter denn je.
Auch die Musikgeschichte kennt natürlich Refugien: Komponist*innen verkriechen sich gerne in spartanischen Häuschen oder genießen Waldeslust und Inselglück, Pop- und Weltmusiker*innen graben sich in Studios in der ländlichen Isolation ein. Als Refugium kann aber auch eine prächtige Villa oder eine steinerne Festung dienen.
Die Musikstunde begibt sich auf Zufluchtssuche zwischen dem brasilianischen Rio und dem norwegischen Bergen, zwischen Mallorca, Massachusetts, dem Iran und dem Wörther See. Mit Musik von u.a. Edvard Grieg, Sergej Rachmaninoff, Paul Hindemith, Kayhan Kalhor, Kate Bush, Joni Mitchell, Beirut, Etta Scollo und Gustav Mahler.
Ana Lua Caiano Vou Ficar Neste Quadrado (Glitterbeat)
Lusitanian Ghosts III (Phonographic/Broken Silence)
Zum Beginn des Aprils wandert greenbeltofsound nach Portugal. Das ist naheliegend, denn am 25.4. jährt sich zum 50. Mal die Nelkenrevolution. Umso wichtiger in diesen Tagen an den Sturz der rechten Diktatur zu erinnern, als ja ein rechtes Bündnis bei den Wahlen vor kurzem explosionsartige Stimmenzuwächse verzeichnen konnte. Wir feiern das andere Portugal mit zwei herausragenden Scheiben.
Ganz weit weg von allen hinlänglich bekannten Portugal-Patterns wohnt Ana Lua Caiano. Die Musikerin aus Lissabon hat schon Lorbeeren auf der Eurosonic, der WOMEX und den Transmusicales eingeheimst, jetzt bekommt sie sie für ihr Debüt Vou Ficar Neste Quadrado auch von mir. Im Alleingang und komplett auf elektronischer Basis zimmert Caiano ein Universum, das die Ohren in einen Bannkreis zieht.
Hämmernde, schiebende und klackende Beats, genauso maschinell wie mit traditionellem Schlagwerk erzeugt, umwinden sich zu einem rhythmischen Mycel. Darüber baut sie harsche Vocals, die wirkmächtig die Silben der portugiesischen Sprache einsetzen, mal marschartig deklamiert, mal geflüstert, eingebettet in kompakte, geschliffene Chöre, die auch von alten Gesängen der portugiesischen Landbevölkerung Einflüsse beziehen. Und nie hat man eine konziser und hermetischer eingefangene Lockdown-Paranoia vernommen als in diesen Lyrics.
Ana Lua Caiano: „O Bicho Anda Por Aí“
Quelle: youtube
Ist portugiesischer Folkwave nicht ein wenig abwegig für diese Spalten? Nein, befindet der greenbeltofsound-Autor. Die Lusitanian Ghosts sind ein Sextett, das irgendwo zwischen einer düsteren Version der Waterboys und Crowded House musiziert, dazu auch noch mit englischen Texten. Allerdings tun sie das auf Lusitanian Ghosts III mit spannenden Zupfinstrumenten, die auf der roten Liste stehen.
Welche erstaunliche Entwicklung die Digital bzw. Nu Cumbia genommen hat, lässt sich an der Karriere von La Yegros ablesen. Die früher oft dominierenden Techno- und HipHop-Anteile des von Bogotá bis Buenos Aires vertretenen Genres sind bei ihr in ein organisches Gesamtgefüge eingeflossen. Auf ihrem vierten Werk HAZ hat die Argentinierin auf diese Weise eine wunder- und durchhörbare Fusion geschaffen, die die Latinpop-Szene immer noch kantig genug bereichert.
Mit dem altvertrauten Team, namentlich Produzent King Coya und Komponist Daniel Martin, integriert die Frau mit der immer leicht wehmütigen Stimme indigene Flöten neben melancholischen Akkordeonlinien („Bailarín“), und rurale Blaskapellen pumpen über dem Schlurfrhythmus („Donde“). Keyboard-Bässe schreiten unter funky Gitarrenriffs, wenn die „Malicia“ zelebriert wird, und in „Todo Yo“ wetteifern schräge Pfeifen und Twang-Gitarren mit einer massiven Perkussionsabteilung. In „Perdedor“ grüßt dann mächtig die House-Kultur.
Aber es geht auch mal mit kompletter Abstinenz von Beats: Geradezu pastorale Holzbläser und ein pluckerndes Saiteninstrument namens Bichito Cordobés schmücken die „Bodas De Plumas“. Und im Finale „Nada“ schickt sie sogar noch eine Spur Flamenco-Rock ins Rennen. Ist das eine neue versöhnliche Brücke zwischen Shakira-Sphäre und dem Underground? Spätestens mit diesem Werk dürfte La Yegros‘ globaler Herrschaft auf den Tanzböden des Sommers jedenfalls nichts mehr im Wege stehen.
Die Wahlen im Senegal sind gelaufen, erstmals konnte sich im ersten Wahlgang mit Bassirou Diomaye Faye ein Oppositionskandidat durchsetzen. Wir wünschen dem senegalesischen Volk eine friedvolle Machtübergabe. Und was könnte der Soundtrack zu diesem neuen Aufbruch im Land sein? Frisch und aufschwingend ist auf jeden Fall diese Scheibe:
Mit Golden Cages setzt Faada Freddy seine vor sieben Jahre begonnene gospelgefärbte Reise fort. Lediglich geschichtete Quintett-Stimmen, Körperpercussion und geklatschte Rhythmen schaffen mittels Cutting Edge-Produktion eine kompakte Architektur. Die klingt zwar geschliffen aber nicht glatt, eine organisch-vokale Tanzmusik, die die Errungenschaften von Zap Mama, Angélique Kidjo und Bobby McFerrin zugleich ins Jahr 2024 hievt und die Tugenden des klassischen R&B und Soul preist. Die geradezu humanistischen Texte des senegalesischen Ex-Rappers – oft auf Englisch, selten auf Wolof und Französisch – greifen auf Inspirationen zeitgenössischer afrikanischer Autoren genauso zurück wie auf den Montaigne-Freund La Boétie.
Chassidische Kantoren aus Brooklyn auf dem Pfad des Soul und der Klassik, wilder Desert Blues aus dem Jemen, „Sufi“-Synagogen-Musik der Nachfahren aus einer marokkanischen Oase: Danke André Heller, für diese seelenvolle, erleuchtende und beglückende Jewish Night in der Elbphilharmonie!
Im jungen Schweizer Jazz ist er eine große Entdeckung. Der Genfer Gitarrist Louis Matute findet Schönheit in Samba, Salsa und Son, in Morna und Bolero – und er verbindet das alles zu einer jazzbetonten Fantasiewelt.
Mit Matute habe ich über das neue Album seines Large Ensembles, Small Variations From The Previous Day gesprochen – und über seine Liebe zur brasilianischen Sängerin Joyce Moreno, die er im Oktober im Zürcher Moods bei einem denkwürdigen Konzert begleitet hat.
SRF 2 Kultur sendet meinen Interviewbeitrag am heutigen Dienstag, den 19.3. ab 20h, wiederholt wird er am Freitag, den 22.3. ab 21h.