Vardan Hovanissian & Emre Gültekin
Karin
(Muziek Publique/Galileo)
Oft wirken musikalische Versöhnungsprojekte gewollt und gekünstelt. In diesem Falle aber steht die Zwiesprache zweier Ausnahmekönner im Mittelpunkt, die einen grandiosen Flow zwischen einem ganzen Mosaik von Regionen des Kaukasus und Anatoliens herstellen. Der armenische Duduk-Virtuose Vardan Hovanissian, Enkel eines Genozid-Überlebenden und der türkischstämmige Saz-Spieler Emre Gültekin beschreiten diese Brücke mit belgischen Mitmusikern an Kontrabass und Perkussion zum zweiten Mal auf einem Album. Es nennt sich Karin und feiert eine Ära des friedlichen Miteinanders in der gleichnamigen armenischen Metropole von einst, die heute türkisch ist und jetzt Erzurum heißt. Traditionelle Stücke aus der Zeit des armenischen Barden Sayat Nova wechseln sich mit Neukompositionen ab,Instrumentals mit gesungenen Stücken in vier Sprachen (Armenisch, Türkisch, Kurdisch, Georgisch).
Ein ergreifender und melancholischer Ton liegt über der gesamten CD, reich wird die Textur durch das Ausreizen aller Mitglieder der Saz-Familie sowie weiteren Saiteninstrumenten wie der Kopuz oder der Shvi-Flöte. Das kammermusikalische Musizieren wird immer dann besonders intensiv, wenn Vokalisten hinzutreten: So etwa in “Mawda”, einer Widmung der Sängerin Gülçiçek Bakur an ein erschossenes kurdisches Flüchtlingsmädchen, oder in der tiefen Spiritualität des alevitischen Gedichts “Medet Erelner”, in der sich Gültekin selbst als seelenvoller Bariton erweist. Lebhafte Einschübe wie “Hamchena Par”, ein 9/8-Tanz der armenischen Hemshin-Minderheit, ein Hochzeitstanz aus der Schwarzmeermetropole Trabzon oder ein georgisches Lied über enttäuschte Liebe mit kehligem Chorgesang bilden ein schönes Gleichgewicht zur Innerlichkeit.
© Stefan Franzen

Auf diese Debüt-LP, die heute 50 Jahre alt wird, habe ich sehr verspätet reagiert. Inmitten der musikalisch düsteren Achtziger (1984, um genau zu sein), haben mein Cousin und ich sie in Endlosschleife gehört (und versucht, „You Shook Me“ nachzukrähen).
3MA (Marokko/Mali/Madagaskar): Anarouz (Mad Minute)
Stefano Bollani (Italien): Que Bom (Alobar)
Dreamers‘ Circus (Dänemark/Schweden): Rooftop Sessions (Vertical)
Great Lake Swimmers (Kanada): The Waves, The Wake (Nettwerk)
Vardan Hovanissian & Emre Gültekin (Armenien/Türkei): Karin (Muziek Publique)
Medeiros / Lucas (Azoren): Sol Do Março (Lovers & Lollipops)
Punch Brothers (USA): Ashore (Nonesuch)
Talisk (Schottland): Beyond (Talisk Records)
Various Artists (Deutschland/Ghana/Verschiedene): Bitteschön, Philophon Vol.1 (Philophon)
Fatoumata Diawara, Heine-Park Rudolstadt 8.7. (Foto: Stefan Franzen)
Glen Hansard, Volkshaus Zürich, 16.2. (Foto: Heinz-Peter Mosebach)
Kayhan Kalhor, Elbphilharmonie Hamburg, 7.6. (Foto: Stefan Franzen)
Shivkumar & Raul Sharma, Theater im Stadthaus Rudolstadt, 7.7. (Foto: Stefan Franzen)
Keren Ann & Quatuor Debussy, Filature Mulhouse 18.12. (Foto: Stefan Franzen)
„Ich bin Soul ‘69“ – eine Aretha Franklin-Platte erzählt