Er ist eines der unbestrittenen Genies der Popgeschichte: Jeff Lynne, Mastermind des Electric Light Orchestras (ELO), Produzent für George Harrison, Roy Orbison und die Beatles, veröffentlicht das erste als „ELO“-Produktion betitelte Album seit 2001. Aus diesem Anlass blicke ich auf 45 Jahre Karriere zurück.
Das britische Musikblog The Quietus nannte ihn „Jesus of the Uncool“. Man kann es aber auch so herum sehen: Jeff Lynnes Frisur und Styling sind genauso zeitlos wie seine Musik. Der Sänger, Gitarrist, Songwriter und Produzent aus Birmingham hat seit Ende der 1960er einen unverwechselbaren Sound aus Romantik und Rock’n’Roll, aus Science Fiction und Symphonik geschaffen. Nach turbulenten frühen Experimentalrock-Jahren führt er das Electric Light Orchestra (ELO) zum Welterfolg, war Mitglied der Traveling Wilburys, produzierte George Harrison, Roy Orbison und Tom Petty, stand kürzlich gar am Pult für Bryan Adams. Im September 2014 betrat er nach einem Vierteljahrhundert erstmals wieder eine Bühne, und das gleich vor 50.000 Menschen im Londoner Hyde Park. Nach dem Live-Comeback gibt es mit „Alone In The Universe“ nun ein neues „ELO“-Album des 67-jährigen, der wie kaum ein anderer das Gespür für den perfekten Popsong hat.
1. Jeff Lynne’s ELO: „When I Was A Boy“ (2015)
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Es steht zwar ELO auf der Verpackung, und auch das Raumschiff als Erkennungsmerkmal der Band thront auf dem Coverhimmel. Doch drinnen ist nicht das Electric Light Orchestra, sondern nur Lynne, der als Perfektionist auf dem neuen Opus alle Instrumente selbst betätigt. Und einmal mehr trendfreie Dreiminuten-Miniaturen liefert, mit starken Anleihen bei den Beatles, bei den barocken SpielfIguren von Bach oder auch mal beim Schmelz eines Roy Orbinson. Die unverkennbaren harmonischen Wendungen sind da, die geschichteten Backgroundchöre, die schlurfigen Drums, die Streichereinwürfe, die sekundengenau getrimmten Gitarrensoli. In der Singleauskopplung erinnert er sich, wie seine Musikerträume begannen. Der Weltstar grüßt zurück zum kleinen Bub.
2. The Idle Race: „Days Of Broken Arrows“ (1969)
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Die erste Band, zu der Lynne mit Anfang 20 als Nachfolger des Multiinstrumentalisten Roy Wood stieß, hieß zunächst The Nightriders. Auf Lynnes Anregung benannten sie sich um in The Idle Race und veröffentlichten während seiner Mitgliedschaft zwei erfolglose Alben, denen auch das regelmäßige Airplay von BBC-Legende John Peel nicht half. Lynnes Kunst, Rock-Riffs in ungewöhnliche Akkordfolgen zu kleiden, lässt sich bei dieser Singleauskoppelung aus dem zweiten Album schon deutlich heraushören.
3. The Move: „The Word Of Aaron“ (1971)
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Bis heute kultisch von manchen Fans des britischen Rock verehrt, war The Move für Lynne nur eine Durchlaufphase zur Gründung des Electric Light Orchestra. Hier schloss sich die erste ELO-Kernbesetzung mit Drummer Bev Bevan und Lynnes Idle Race-Vorgänger Roy Wood zusammen. Lynne (im Clip am rechten Klavier) konnte seine Songwritingkunst jetzt voll ausformen, doch es zeichnete sich schon ab, dass eine Zusammenarbeit des disziplinierten Musikers mit dem Exzentriker Wood nicht lange gut gehen würde.
4. ELO: „Can’t Get It Out Of My Head“ (1974)
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Auf dem Konzeptalbum „Eldorado“ hatte sich der symphonische Sound von ELO nach Experimenten mit sägenden Celli und wilden Holzbläsern konsolidiert. Von Lynnes ursprünglicher Idee, da weiterzumachen, wo die Beatles mit „I Am The Walrus“ aufgehört hatten, war allerdings nicht mehr viel übrig. „Can’t Get It Out Of My Head“ ist der erste Ohrwurm aus einer Reihe von Hits wie „Livin‘ Thing“, „Telephone Line“, „Turn To Stone“ oder „Mr. Blue Sky“, die sich durch die ganzen Siebziger zogen und ELO kurioserweise in Deutschland mehr Erfolg bescherten als in der Heimat. Wood hatte da schon längst die Band verlassen.
5. ELO: „Don’t Bring Me Down“ (1979)
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Nach dem Bombast-Doppelalbum „Out Of The Blue“ steuerten ELO auf „Discovery“ mit verschlanktem Sound verspätet in die Disco-Ära. „Don’t Bring Me Down“ ist die erfolgreichste ELO-Single der Bandgeschichte, man konnte dieser stampfenden Hymne 1979 nicht entgehen. Mythen ranken sich um das zischende „Groosss“ im Refrain, das laut Lynne eher spontan entstand – und keine Referenz hat zum deutschen „Gruß“, wie Lynnes deutscher Toningenieur Mack in den Münchner Musicland-Studios vermutete. Coverversionen reichen von Status Quo über The Hives bis zur Metalband Northern Kings.
6. Traveling Wilburys: „End Of The Line“ (1988)
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Die ELO-Historie dümpelte bis Mitte der 1980er vor sich hin, dann setzte Lynne eine Zäsur. Er hatte Lust, als Songschreiber und Produzent für andere zu wirken und tat dies zunächst für George Harrison. In den Nachwehen seines „Cloud Nine“-Albums kam die Supergroup The Traveling Wilburys mit Roy Orbison, Tom Petty und Bob Dylan zustande. „End Of The Line“ war eine der Singles aus dem ersten Werk. 1990 spielte die Herrrenformation einen Zweitling ein, ohne den mittlerweile verstorbenen Orbison. In den Neunzigern und Nullerjahren brachte es Lynne mal gerade auf zwei maue Soloalben, während sich mit Ex-Mitgliedern verschiedene neue ELO-Ableger formierten (ELO II, The Orchestra). 2001 flackerte das Original-ELO unter Lynnes Ägide nochmals kurz mit der Scheibe „Zoom“ auf.
7. Jeff Lynne’s ELO: „Mr. Blue Sky“ – Live In Hyde Park (2014)
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Es war der Überraschungscoup der BBC, die alljährlich im Hyde Park ein gigantisches Familienfest mit Popstars aller Generationen ausrichtet. Wer 2014 bis zum Schluss durchhielt, erlebte nach Chrissie Hynde, Paloma Faith, Billy Ocean und Blondie, wie die Auferstehung der alten ELO-Hits gefeiert wurde, samt BBC-Streichorchester und in Original-Raumschiffoptik aus den Siebzigern. Regelrecht erschüttert über die Begeisterung zeigte sich Jeff Lynne selbst, der 25 Jahre nicht mehr live gespielt hatte. Von der ELO-Originalbesetzung blieb allerdings nur noch Richard Tandy an den Tasten übrig, der Rest des Line-Ups bestand – man darf es nicht verschweigen – aus der Backing Band von Take That. „Mr. Blue Sky“, die wohl grandioseste ELO-Hymne aller Zeiten, bildete das Finale an jenem denkwürdigen 14.9.2014.
© Stefan Franzen