Meshell Ndegeocello
Kaserne Basel 04/11/14
Klein, kurzgeschoren, dicke rote Brille – und über der rechten Hand ein dunkles, flächiges Tattoo, so dass man meint, sie hätte eine Art abgesägten Handschuh an. Nichts passt hier in die Muster der „schönen schwarzen Sängerin“, genauso wenig ihr komplexer Name (Swahili für „frei wie ein Vogel“) und am allerwenigsten ihre Musik. Doch der Abend in der leider nicht gefüllten Kaserne Basel wird lange in Erinnerung bleiben, auch wenn sie kaum mit ihrem Publikum reden mochte.
Ist die Frau schüchtern? Nein, sie spricht durch ihre Kunst, die durch leutselige Annoncen nur geschmälert würde. Meshell Ndegeocello liefert ein außergewöhnliches Set quer durch ihr zwanzigjähriges Repertoire mit spätem Schwerpunkt auf dem neuen Album Comet, Come To Me. Ein Set, für das der abgedroschene Terminus „eklektizistisch“ wie die Faust aufs Auge passt. Gitarrist Chris Bruce zupft auf der Akustischen folkige Muster in Cohens „Suzanne“, packt messerscharfes Wah-Wah-Gekecker aus, lässt es auch mal Fripp-esk aufheulen. An den Keyboards türmt Jebin Bruni Mellotron- und Moog-Landschaften übereinander, geht auch oft ins Geräuschhafte. Einer Postwave-Band entsprungen könnte Drummer Earl Harvin sein, der rigide und mit irritierenden Synkopen zupackt, nicht ohne eine Spur Gockelhaftigkeit.
Nie weiß man, in welchem Jahrzehnt man sich gerade befindet, und in welche Gefühlslage man sich eintunen soll. Denn kaum hat sie das verletzliche „Grace“ beendet, geht sie mit uns – kurioserweise im Countryflair – „Shopping For Jazz“, bricht dann mit „Forget My Name“ einen astreinen Dub vom Zaun (grandios ihre dubbigen Parallelgänge mit Bruce), beklagt sich zu fast zynischen Klangnebeln über die fehlende sexuelle Standhaftigkeit junger Mädchen („Choices“). Und zwischendrin streut sie einen Afrobeat – nicht à la Kuti, sondern in der Auffasung von Vampire Weekend – mit begnadet relaxten Bassläufen.
Überhaupt lebt dieses Ereignis von ihrer Doppelrolle als virtuoser Tieftönerin, die ihre Läufe immer wieder kaum wahrnehmbar loopt und sampelt, und als Sängerin: Denn als Vokalistin hat Ndegeocello heutezutage das sensible, hochschwebende Timbre einer Songwriterin – Meilen von ihrer abgründigen Sprechstimme entfernt. Alte und neue Klangfarben ihres Organs schichten sich dann zum Schluss in einer starken Version von „Friends“ übereinander, verfremdet, fast spukhaft. Und das Remake von den HipHop-Pionieren Whodini, wieder mit diesen begnadeten Unisono-Läufen zwischen Bass und Gitarre, es passt als Schlusspunkt viel besser denn als Opener wie auf der Platte.
© Stefan Franzen