Yma Sumac 100


Ich werde nie vergessen, wie irgendwann in den späten 1990ern ein stadtbekannter Schauspieler in meinen Plattenladen kam und mich fragte: „Haben Sie etwas von Yma Sumac?“ Mir war der Name zwar vertraut, aber mit ihrer Musik hatte ich mich nie auseinandergesetzt. Im Regal konnte ich auch leider nur eine Greatest Hits-Kollektion finden, die mein Kunde trotzdem freudig erwarb. Und dann fragte er mich: „Wissen Sie, ob Yma Sumac noch lebt?“ Da musste ich nun wirklich passen, und in der Frühzeit des Internet war über ihr Weiter- oder Ableben kein Aufschluss zu bekommen.

Vielleicht zwei Wochen später kam mein Kunde freudestrahlend in den Laden zurück: „Yma Sumac lebt!“ verkündete er, als ginge es um eine Auferstehung eines nahen Verwandten. Und er erzählte mir aus ihrer Lebensgeschichte. Wenn sich jemand so für sie begeistert, dachte ich mir, muss ich mich auch mal in das Werk dieser glamourösen Frau reinhören, die heute Geburtstag hat (oder am 13.9., da unterscheiden sich die Dokumente).

Yma Sumac (ima shumaq in Quechua: „wie schön!“) hatte ein Hollywood-reifes Leben. Die „Nachtigall der Anden“ mit der Fünfoktaven-Stimme führte ihre Abstammung auf den letzten Inka-Herrscher Atahualpa zurück, was wohl nicht den genealogischen Tatsachen entspricht. In der Jugend sang sie Andenfolklore und war in der Tanzgruppe ihres späteren Ehemannes Moisés Vivanco unterwegs. 1950 entdeckte sie der US-amerikanische Produzent Les Baxter und machte sie zu einer der ersten Protagonistinnen des Exotica-Genres mit den Album Voice Of The Xtabay und Legend Of The Sun Virgin.

Auf den Erfolgen der Fünfziger gründet auch ihr weltweiter Ruhm. Ihre Songs waren manchmal in farbenprächtige, avantgardistische Orchesterarrangements eingebettet, manchmal in Mambo- oder Chachacha-Settings. Sumac schaffte es an der Seite von Charlton Heston 1954 auch auf die Leinwand („Secret Of The Incas“). In den 1970ern schwenkte sie auf Rock ein und wurde eine Ikone der LGBTQ-Bewegung, aber auch Musiklieferantin eines Smartphone-Werbespots. Ihre Verdienste um die weltweite Popularität der lateinamerikanischen Musik sind heute nicht unumstritten, in Peru gilt ihre Arbeit als klischeehafte Zeichnung des musikalischen Erbes.

Neuerdings kommt die Unvergleichliche zu neuen Ehren: Das Madrider Label Ella Rugen hat eine Serie von Wiederveröffentlichungen aus ihrem Werk begonnen. Jalo Nuñez del Prado, peruanischer Musikproduzent und Gründer von Ellas Rugen, hat die Reissues mit Sumacs Meilenstein Legend Of The Sun Virgin von 1952 gestartet. Er will nicht bei Sumac stehen bleiben: Geplant ist, auch andere legendäre lateinamerikanische Sängerinnen zu beleuchten, etwa Sumacs Landsfrau Lucha Reyes, die Kubanerin Olga Guillot, Estelita del Llano aus Venezuela, Mexikos María Victoria Cervantes und Las Tres Marías aus Ecuador.

Yma Sumac: „Hymn of The Sun Virgin“
Quelle: youtube

SWR 2 Musikstunde: Der Atem des Himmels

Foto: Stefan Franzen

Liebe Freund*innen,

Mundschutz und Mindestabstand bestimmen seit März unseren Alltag. Die Sehnsucht nach freiem Durchschnaufen, nach sinnlicher Erkundung der Umwelt steigt. Auch deshalb darf ich euch zu dieser ganz besonderen Musikwoche im Südwestrundfunk einladen.

„Der Atem des Himmels – eine musikalische Geschichte der Düfte“
SWR 2 Kultur, 25. – 29.05.2020, jeweils 09h05 – 10h

„Parfums sind Symphonien und Parfumeure Komponisten. In der Kunst ist die Parfümerie die duftende Nachbarin der wohlklingenden Musik“, bemerkte einst Jean Cocteau. Zu welchen Liedern, Chansons, Songs, Symphonien oder Opernarien regten die Harze und Kräuter der Antike, die Blüten und Früchte des Mittelmeers, die Hölzer und Gewürze des Orients die musikalische Fantasie an? Welche Werke entstanden als Widmung an duftende Persönlichkeiten wie die Königin von Saba, Kleopatra, Louis XIV oder Coco Chanel? Und umgekehrt gefragt: Wie duften Puccinis Cio Cio San oder Tschaikowskys „Pique Dame“, welche Aromen verströmt ein Flamenco oder ein Tango in der Vorstellung der Parfumeure? Um all diese nie ganz greifbaren, doch gerade deshalb immer schillernden, synästhetischen Abenteuer zwischen Nase und Ohren geht es in dieser Musikwoche, über 5000 Jahre hinweg, über fast alle Erdteile, von Babylon bis nach Buenos Aires, von den Pharaonen bis zu Kate Bush.

1. Von Myrrhe, Weihrauch und Balsam – die Wohlgerüche des Altertums (25.05.)

2. Tausendundein Aroma – die Düfte des Orients und Asiens (26.05.)
3. Vanille, Zimt, Orange und Jasmin – von den Tropen ins Mittelmeer (27.05.)
4. Könige, Romantiker und Synästheten – Streifzüge durch Europas Dufthistorie (28.05.)
5. Von Coco Chanel bis Kate Bush – Parfums der Neuzeit (29.05.)

Danke: der Osmothèque in Versailles für das Duftseminar, meiner Mutter Marlies Franzen für ihre biblischen Recherchen und meinem Vater Herbert Franzen für seine Gedichtübertragungen von Charles Baudelaire.

https://www.swr.de/swr2/musik-klassik/der-atem-des-himmels-eine-musikalische-geschichte-der-duefte-1-swr2-musikstunde-2020-05-25-100.html

Die Sendungen sind nach der Ausstrahlung eine Woche lang in der SWR-Mediathek abrufbar.

Yma Sumac: „La Flor De Canela“
Quelle: youtube