Heute im Zürcher Bogen F, übermorgen im Karlsruher Jubez: Das wäre der Tourplan für den großartigen Niels Frevert in unserer Region gewesen, zwei Konzerte, auf die ich mich wie ein Schneekönig gefreut habe. Die Zeiten sind nun leider anders und wir können nur auf die kommenden Monate hoffen. Dass das Virus nicht zurückkehrt, dass die Politik die Kultur als systemtragend begreift, dass sie beweist: Deutschland ist nicht nur eine Lufthansa- und Volkswagen-Nation, sondern auch eine, die besondere Dichter wie diesen Mann aus Hamburg hervorbringt. Bis dahin, und darüber hinaus gilt: Es gibt immer noch die Musik.
Putzlicht
Listenreich II: 20 Alben für 2019
Ambäck (CH): Chreiselheuer (Eigenverlag)
Mayra Andrade (Cabo Verde): Manga (Columbia)
Claire Antonini & Renaud Garcia-Fons (F/E): Farangi – Du Baroque À L’Orient (E-Motive Records)
Natacha Atlas (Ägypten/B/GB): Strange Days (Whirlwind Records)
Blick Bassy (Kamerun): 1958 (NoFormat)
Nicholas Britell (USA): OST If Beale Street Could Talk (Invada Records)
Chicuelo & Marco Mezquida (Catalunya): No Hay Dos Sin Tres (Galileo)
Roberto Fonseca (Kuba): Yesun (3ème Bureau)
Niels Frevert (D): Putzlicht (Grönland Records)
Kayhan Kalhor & Rembrandt Frerichs Trio (Iran/NL): It’s Still Autumn (Kepera Records)
Lakou Mizik (Haiti): HaitiaNola (Cumbancha)
Mísia (P): Pura Vida (Galileo)
Lydia Persaud (CAN): Let Me Show You (Next Door Records)
Roseaux (F): Roseaux II (Tôt Ou Tard)
Céline Rudolph (D/F): Pearls (Obsessions)
Javier Ruíbal (E): Paraísos Mejores (Karonte)
Shake Stew (A/D): Gris Gris (Traumton)
Salvador Sobral (P): Paris, Lisboa (Warner)
Vampire Weekend (USA): Father Of The Bride (Sony)
Patrick Watson (CAN): Wave (Domino Records)
Side tracks #28: Klassenunterschiede
Niels Frevert: „Speisewagen“
(aus: Paradies der gefälschten Dinge, Grönland Records 2014)
„Ich suchte nach Worten für etwas, das nicht an der Straße der Worte lag“ – treffender als in diesem Titel aus seinem aktuellen Album Putzlicht könnte Niels Frevert seine Songwriting-Philosophie in einem Satz nicht zusammenfassen. Der Hamburger stellt mit der deutschen Sprache etwas an, was wenige, vielleicht keiner derzeit hierzulande vermag: seelenvoll, aber nie gefühlig zu sein, leichte Ironie im Mundwinkel spielen zu lassen ohne sarkastisch zu werden, fließende Wortgebilde schöpfen, die überhaupt nicht verkopft sind. Diese kleinen Text-Wunderwerke setzt er dann zu Harmonien, die weit mehr als das klassische Songschema erfüllen – sie sind mit ihren unerwarteten Farbwechseln nochmals für sich selbst kleine Geschichten.
Gestern hat dieser grandiose Wortkünstler und Songpoet, denn ich durch eine Kollegin der hiesigen Zeitung kennenlernen durfte, seine Deutschlandtour zum aktuellen Album Putzlicht im Freiburger Jazzhaus begonnen, nur mit Unterstützung durch Christoph Bernewitz an den Gitarren und Martin Hornung an den Keyboards – in dieser intimen Atmosphäre leuchten seine Lieder, die mir den Glauben an die deutsche Musiksprache zurückgegeben haben, am schönsten. Hier ehre ich ihn mit einem schon etwas älteren Lied, das so wunderbar in diese Bahn-Kolumne passt. Denn Niels Frevert ist ein echter „Side tracker“ im flussbegradigten Streckennetz.
Die Daten:
03.12. Stuttgart – Im Wizemann Studio, 04.12. Augsburg – Soho Stage, 05.12. Ulm – Roxy, 06.12. Mannheim – Alte Feuerwache, 07.12. Hannover – Pavillon, 08.12. Oldenburg – Wilhelm13, 09.12. Leipzig – nato, 12.12. Rostock – Helgas Stadtpalast, 13.12. Magdeburg – Moritzhof