Eine weitere Folge aus !green belt ON AIR! befasst sich mit einer Jahrhundertlegende:
Er beeinflusste Jazzer wie John Coltrane oder John McLaughlin, Bands wie die Beatles und die Byrds, und er war wider Willen ein Guru der Hippies. Ravi Shankar ist bis heute der wohl weltweit bekannteste und einflussreichste indische Musiker. Am 7.4. wäre er 100 Jahre alt geworden. In meinem Beitrag fürs Schweizer Radio SRF 2 Kultur blicke ich in der Sendung „Jazz & World aktuell“ auf das Werk des 2012 verstorbenen Sitarmeisters zurück und stelle die Jubiläums-CD-Box „Ravi Shankar Edition“ vor, die den Musiker vor allem im Licht seiner Teamworks mit Musikern der europäischen Klassik zeigt: mit Yehudi Menuhin oder den Dirigenten André Previn und Zubin Mehta.
Die Sendung ist im Live-Stream am Dienstag, den 7.4. ab 20h hier zu hören und wird am Freitag, den 10.4. um 21h wiederholt. In der Schweiz ist er auch noch nachträglich abrufbar.
Seit Youssou N’Dour in den 1980ern ins internationale Rampenlicht trat, hat der Senegal einen exzellenten Ruf als Heimstatt großartiger Musiker. Sie beschränken sich dabei nicht auf ihre Wurzeln: Mittlerweile verknüpfen viele Künstler des westafrikanischen Landes die traditionellen Musikformen der Heimat mit jazzigen Vokabeln. Einen der gekonntesten Brückenschläge zwischen den Trommelrhythmen aus seinem Erbe und US-amerikanischen Harmonien hat der Gitarrist Hervé Samb gemeistert.
Auf hundert Alben, so lässt zumindest seine Plattenfirma verlauten, hat Hervé Samb schon seine Gitarrenakzente gesetzt, etwa für den Jazzbasisten Marcus Miller, für Meshell Ndegeocello oder die Malierin Oumou Sangaré. Seine beiden Werke unter eigenem Namen erreichten bislang nur einen kleinen Kennerkreis. Samb lebte lang in den Staaten, hat sich dort in zeitgenössischen Jazzkreisen getummelt und eine hochvirtuose Gitarrentechnik entwickelt. Dafür hat er sich von einem Pariser Instrumentenbauer eigens ein Exemplar fertigen lassen, das ähnliche Züge trägt wie Django Reinhardts berühmte Maccaferri-Gitarre.
Ausgerüstet mit den langjährigen US-Erfahrungen ist der Senegalese jetzt in seine Heimat zurüückgekehrt und kombiniert die beiden Klangwelten in Teranga (deutsch: Gastfreundschaft), der Name seiner neuen CD und seines Bühnenprogramms. „Normalerweise ist es bei gemischten Projekten ja so, dass europäische oder amerikanische Jazzer ihre Musik mit afrikanischen, indischen, exotischen Kulturen bereichern wollen”, so Samb. „Die umgekehrte Richtung ist viel ungewöhnlicher.” Genau das ist nun sein Ansatz. Er hat dafür in Dakar einige der führenden Perkussionisten aus der Tradition des Sabar-Trommelns um sich geschart, denen er Jazzstandards vorspielte – sie umfassen ein breites Spektrum von John Coltranes „Giant Steps” bis zu Henry Mancinis „Days Of Wine And Roses”.
„Ich habe positive, fröhliche Tunes ausgewählt, die gut in die senegalesische Metrik passen”, sagt Samb. Das US-Material wurde dann in den Studiosessions oft in ein und demselben Stück mit senegalesischen Songs zusammengespannt. Das Ergebnis nennt er „Jazz Sabar” – eine transatlantische Kreuzung, in der die vertrauten Melodien auf komplexe Rhythmen treffen. Für ihn selbst auch eine Neuentdeckung der Klänge, mit denen er als Bub aufgewachsen ist, die er aber zuvor nie studierte: „Ich wollte die traditionelle Musik genauso gut kennen lernen wie den Jazz.”
Die Verknüpfung ist auch abseits der Standards gelungen: Auf vokaler Seite bringt er traditionelle Stimmen mit Rap-Interludien und bezwingendem Pop-Charme zusammen, hier stehen etwa Faada Freddy oder der kürzlich verstorbene Ndiouga Dieng vom Orchestra Baobab auf dem Gastzettel. Alle Texte werden in der Landessprache Wolof gesungen – auch das ein unmissverständliches Signal an die Welt, das bei einer Begegnung der Kontinente nicht automatisch aufs Englische zurückgegriffen werden muss. Ein ganz grandioser Brückenschlag, nach der CD zu urteilen. Und live könnte Herve Samb die afrikanische Offenbarung dieses Winters werden.
Accra Trane Station: Another Blue Train (VoxLox, 2007)
Vielleicht der verrückteste „Side Track“ in meinem Archiv: Zwei Ghananer und ein Amerikaner improvisieren sehr free und lautmalerisch über eine nächtliche Zugfahrt von der ghanaischen Hauptstadt Accra nach Kumasi und Takoradi. Dort verkehrte einst der legendäre Blue Train, der afrikanische Bruder zu Coltranes blauem Zug. Dem huldigt Nortey hier auch unüberhörbar mit seinen Afrifonen, Zwittern aus Sax und afrikanischen Blasinstrumenten, dazu kommt jede Menge ratternd-scheppernde Percussion und ein Rhythmusbox-Bass. Die Reise ist pure Nostalgie: In Ghana fährt heute nur noch ein maroder Vorortzug zwischen Accra und Nwasam, die legendäre Blue Train-Linie ist stillgelegt. Danke an Nancy für diese rare Perle der tönenden Eisenbahnliteratur.