Ermächtigung durch Liebe

Emicida
AmarElo
(Sterns Music/Broken Silence)

Ein Kinderleben zählt nicht viel in Brasilien, ein indigenes oder schwarzes noch weniger, und schon gar nicht im Brasilien Bolsonaros. Im zweiten Jahr seiner Machthabe – von „Amtszeit“ zu sprechen, verbietet sich – scheint es, dass der Protest etlicher brasilianischer Musiker ins Introspektive geht. Der stille Widerstand ist jetzt sogar bei Emicida, dem bekanntesten Rapper des Landes, angekommen. Mit dem Cover von „AmarElo“ (Sterns/Broken Silence) huldigt er den missachteten und missbrauchten Kindern seines Volkes, in den 11 Tracks bietet er einen poetischen Gegenentwurf zu den politischen Realitäten. Internationale und heimische Gäste bereichern das. Gerappt wird dabei gar nicht so viel, eher durchzieht die Ästhetik des klassischen Rio-Funk die Scheibe.

Denn Emicida führt seinen Kampf mit Nestwärme: In „Principia“ lässt er einen Pastor sprechen und Kirchenchoristinnen singen, funky kündet „Pequenas Algerias“ von einem Helden, der aber nicht die Welt rettet, sondern der von den kleinen Alltagsfreuden der Favela erzählt, unterstützt durch Sambalegende Marcos Valle an den Tasten. Einem anderen Sambista, Wilson Das Neves, wird im sonnigen „Quem Tem Um Amigo“ gehuldigt, die Band dazu kommt aus Tokio. Eine geradezu romantische Stimmung kommt auf, wenn er über den verlorenen Kontakt zur Natur dichtet, glühend-soulige Background Vocals inklusive. „9nha“ schließlich entlarvt den Waffenfetischismus der Jugendlichen in einer bezwingenden Ballade, inspiriert durch einen Klassiker von Chico Buarque. Ein stampfender Knaller dann das Titelstück in der Zielkurve, das mit Transgender-Star Pabllo Vittar die Geschlechtergleichheit auf den Schild hebt. Ein starkes Album für die Liebe zu und in Brasilien und die Ermächtigung der Vernünftigen.

Emicida: „Pequenas Alegrias Da Vida Adulta“
Quelle: youtube