Jung, wild, und trotzdem eine ordentliche Spur archaisch: So treffen die Klänge der Band BKO aus Bamako auf die Ohren. Man fühlt sich stellenweise an die psychedelische Rock-Ära erinnert, an Led Zeppelin oder die Doors, doch da ist eben auch eine ausgefeilte afrikanische Rhythmussektion und zwei Zupfinstrumente, die man kombiniert noch nie zuvor erleben konnte. BKO sind der neue, heiße Export aus Mali, das seit dreißig Jahren stetig neue Nährstoffe für die afrikanische Musikszene liefert. Der kulturelle Reichtum des armen Landes scheint unerschöpflich, und er wird nicht zuletzt bedingt durch seine 80 verschiedenen Ethnien.
Das Vielvölker-Mosaik Malis zum musikalischen Programm zu machen, das erfährt in dieser Zeit besondere Beachtung. Schließlich wurde 2012 die Einheit des westafrikanischen Staates durch den Konflikt zwischen Tuareg und der schwarzafrikanischen Regierung gefährdet, noch mehr, als Islamisten kurz danach in das entstandene Machtvakuum hineinstießen. Es ist also ein kräftiges Signal, wenn Vertreter aus fünf Ethnien beim Quintett BKO, das sich nach dem Flughafenkürzel der Hauptstadt Bamako benannt hat, friedlich zusammenspielen. BKO sind dabei eher zufällig „Kinder“ des politischen Konflikts: Ihre Gründung in Bamakos genauso hippem wie müllverseuchtem Bezirk Medina-Coura fällt zusammen mit der Erklärung des Ausnahmezustands durch die malische Regierung im April 2012, ist aber keine unmittelbare, absichtliche Reaktion darauf.
BKOs Musik ist dennoch revolutionär: Die Band um den charismatischen Leadsänger Fassara Sacko kombiniert erstmals den Sound zweier Instrumente, die zuvor unvereinbar schienen, denn sie wurden von jeher zwei unterschiedlichen Kasten zugeordnet: die Djelingoni, eine Spießlaute, die als Vorläufer des Banjo gilt, ist in der Sphäre der Griots, der Geschichtenerzähler und höfischen Musiker beheimatet, die ruppig klingende Donsongoni dagegen ist die Stegharfe der Buschjäger aus der Wassoulou-Region, sie begleitet traditionell die Mythen dieser ländlichen Region. Treffen diese beiden Instrumente zusammen, entsteht also tatsächlich eine „neue Musik Malis“, wie der Titel der neuen BKO-Scheibe „Mali Foli Coura“ sich übersetzt. Und dieser Sound spricht vor allem die Jugend an, er ist laut, unbändig, betörend.
Während sich die Saiten von Laute und Harfe in wilden Skalengängen verzwirbeln, wie Rockgitarren verzerrt werden, erhebt der Frontmann seine kehlige Griot-Stimme. Die Rhythmen der Djembé und der Dundun wiederum, eine Trommel aus dem Volk der Khassonké im Westen Malis, verzahnen sich im Unterbau mit einem elektronisch getriggerten Drumkit, das der Franzose Aymeric Kroll als einziges europäisches Mitglied bedient. Das Themenspektrum der Texte ist breit aufgestellt: Aktuelle Umweltproblematik spielt bei BKO genauso eine Rolle wie die animistischen Rituale der Jäger.
© Stefan Franzen
BKO live:
26.1. Wolhusen/CH, Tropenhaus – 27.1. Flawil/CH, Kulturpunkt, 28.1. München, Ampere – 29.1. Freiburg, Jazzhaus