(he)artstrings #10: Epischer Ghettowalzer

Terry Callier
„Dancing Girl“ (Terry Callier)
(aus: What Color Is Love, 1972)

Es gibt eine ganz einfache Textzeile in diesem Stück, die mich immer wieder mitnimmt und die eine tiefe Wahrheit in sich trägt. Nachdem Terry Callier von seinem Traum erzählt, in dem ihn das tanzende Mädchen an einen Ort der Freiheit trägt, schwenkt sein Blick auf das Ghetto – und er sieht „Bird“,  Charlie Parker beim Improvisieren auf dem Sax. „All those notes won’t take the pain away“, singt Callier. Und er hat Recht: Du kannst so viele Noten spielen oder singen wie du willst, der Schmerz wird davon nicht weggehen. Aber du kannst mit ihm sprechen, mit dem Schmerz.

Terry Callier hat das in etlichen seiner Songs getan – und meistens hat er deutlich weniger Noten dazu gebraucht als Bird. Manchmal aber hat dieser Mann mit dem ruhigen, herzenswarmen Bariton sich zu kleinen Soul-Opern aufgeschwungen, mit irisierenden Streichern, glitzernder Celesta und aufbrausenden Bläsern. „Dancing Girl“ ist mit seinen neuen Minuten nur noch mit gutem Willen als „Song“ zu fassen, ist Folkwalzer, Jazz-Scat, orchestraler Soul in einem.

2002 habe ich Terry Callier in Baden-Baden getroffen. Am Schluss des Interviews signierte er meine Platte und schrieb mir seine Telefonnummer in Chicago auf eine Serviette – man weiß ja nie.

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Heute kann man Terry Callier nicht mehr anrufen. Auf den Tag vor vier Jahren hat der sicherlich sensibelste Folksoul-Barde der Musikgeschichte die Welten gewechselt. Ich denke, er weiß jetzt, welche Farbe die Liebe hat.

Terry Callier: „Dancing Girl“
Quelle: youtube

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