Jeder Ton ein Kuss

Marisa Monte
ZMF Freiburg
02.08.2024

„Samba, Bob Marley und Stevie Wonder haben in meinem Innern immer in Frieden gelebt“, hat sie dem Autor dieser Zeilen einmal gesagt. Aufgewachsen im Umkreis von Rio de Janeiros Sambaschule Portela war Marisa Monte seit ihren frühen Alben der 1990er immer eine Brückenbauerin zwischen den Rhythmen Brasiliens und dem international verständlichen Pop. Sie ist eine der wenigen Brasil-Stars, die in Rio, New York und Berlin fast gleichermaßen bekannt sind. Jetzt ließ die 57-Jährige auf dem ZMF ihre Laufbahn schon mal Revue passieren.

Stimmige Gesamtkunstwerke mit leicht theatralischem Touch sind Montes Bühnenmarkenzeichen: Sie überrascht im eleganten schwarzen Flamencokleid samt Cordobés-Hut, wirkt unglaublich gelöst und kommunikativ. Ihre Hände fließen, ihre Augen scheinen im Rund des vollen Zeltes wirklich Jede und Jeden zu suchen. Und diese Stimme! In ihrer fruchtigen Bittersüße und ihrer schmerzlichen Wehmut immer präzise. Mit dem zeitlosen Porträt einer (freiheits-)liebenden Frau, „Maria de Verdade“ hat sie das Publikum sofort – die zahlreichen jungen, textsicheren Brasilianerinnen sowieso, die mit verzückten „Linda“- und Maravilhosa“-Rufen die Pausen garnieren. Marisa Monte ist ihre Taylor Swift.

Die eher ruhigen Songperlen aus Montes Fundus bestimmen große Teile der Show: das geheimnisvolle „Infinito Particular“ mit schwebenden Harmonien, der zirpende Walzer „Vilarejo“, oder das rhythmisch fast freie „Diariamente“ mit sprachspielerischen Plopp-Versen. Zu Brasiliens heimlicher Hymne, dem fast hundert Jahre alten „Carinhoso“, faltet sie die Hände zur Rose und zaubert chromatisches Melos. Zum Hinterhof-Samba „De Mais Ninguém“ mit dem Ukulelen-Instrument Cavaquinho und Brasiliens Mandolinen-Variante Bandolim wird an der Seitenlinie versunken getanzt. Hier ist jeder Ton ein Kuss, jede Phrase eine Umarmung.

Die Band bleibt dienend und unauffällig: Schöne Bassläufe schickt der unglaublich relaxte Altmeister Dadi Carvalho, Gitarrist Davi Moraes streut mal ein glitzerndes E-Gitarren-Solo ein, textiert sonst viel mit Liegetönen, und Drummer Pupillo ist eine Blaupause für Ruhepuls. Über der Perkussion thront ein Siebzehnjähriger: Pretinho da Serrinha tupft mit Conga, Holzblock, Tamburin und Brummtopf, ist auch ein Meister des Cavaquinho. Seine Feinheiten hört man selten, denn wieder einmal bleibt das Dauerärgernis ZMF-Sound: Angenehm in der Lautstärke zwar, aber so seltsam abgemischt, dass die Musiker wie hinter Gaze agieren, und Montes Stimme oft in der Band untergeht, statt sich über sie erhebt. Das tut dem Tanzfinale keinen Abbruch: Songs aus dem „Tribalistas“-Projekt wie der Ohrwurm „Já Sei Namorar“ mit Jubelrefrain und die wendige Funkyness von „A Menina Dança“ reißen alle von den Stühlen. Rio zu Gast am Mundenhof inklusive tropischem Regen – ein Abend purer Glückseligkeit.

© Stefan Franzen, erschienen in der Badischen Zeitung, Ausgabe vom 05.08.2024

Das Schicksal ist eine Beleidigung


Als sie Anfang der Neunziger begann, Fado zu singen, interessierte sich außerhalb Portugals Grenzen kaum jemand für das Genre. Mit ihrer Vision, den portugiesischen Nationalstil zu erneuern, hat Mísia seine internationale Erfolgsgeschichte mitbegründet. Nun ist sie im Alter von 69 Jahren in Lissabon gestorben.

„Ich faltete meine Stimme mit dem Schmerz zusammen und machte ein Boot daraus.“ Mit diesem Satz aus ihrer A Cappella-Komposition „A Beira Da Minha Rua“ hat sie das maritime portugiesische Lebensgefühl der Saudade in ein wunderbares Bild gefasst. Dieses vielzitierte Sehnsuchtsgefühl hat sie in ihren Canções oft kultiviert, und als Amália Rodrigues, Portugals große Fado-Ikone 1999 starb, war es Mísia, die man oft als ihre Nachfolgerin auf den Schild hob. Tatsächlich übernahm es Mísia auch, unvollendete Stücke von Amália zu komplettieren.

Doch so einfach ist die Geschichte von der „Nachfolgerin“ nicht: Denn die 1955 in Porto als Susana Maria Alfonso de Aguiar geborene Sängerin, die ihren Künstlernamen zu Ehren der Pariser Muse Misia Sert trug, war keinesfalls nur Verwalterin des Amália-Erbes, sondern vielmehr Erneuerin des Fachs. Das begann mit ihrem Äußeren: Sie inszenierte sich zwar oft in Fado-typischer schwarzer Kleidung, trug aber in ihren frühen Jahren ein geradezu maskenhaftes Gesicht mit Pagenschnitt zur Schau, das eher ans Theater erinnerte. In die Arrangements ließ sie über die klassische Besetzung hinaus Geige und Akkordeon einfließen, und neben der Poesie eines Fernando Pessoa gab sie auch immer wieder zeitgenössischeren Schreibenden wie José Saramago oder Lídia Jorge die Chance, durch ihre Vertonungen Gehör zu finden. Melancholie war genau wie Humor präsent in ihrem Repertoire, sagenhaft etwa ihre Miniatur „Formiga“ über eine Ameise, die unter dem beschwerlichen Tourneeleben leidet und dann singend zur Zikade wird. Mit diesem neue Fado eroberte sie die Bühnen der Welt, von Hamburg bis Hongkong, von Paris bis Australien.

Mísias Mutter stammte aus Barcelona, und das Faible für weitere Facetten iberischer Kultur war ihr dadurch schon eingeschrieben. Widmungen an die katalanische Liedkunst, an Tango und Bolero kamen zum Zuge, etwas auf ihrem Album Drama Box (2005). Diese stilistische Spannbreite drückte sich auch in etlichen Duetten aus, deren Partner von Ute Lemper bis Iggy Pop reichten. Als sich 2016 der heimtückische Krebs in ihr Leben schlich, verarbeitete sie diese Krankheitsgeschichte zu einem ihrer großartigsten Werke, Pura Vida: „Das Leben war wie in einer Waschmaschine“, sagte sie damals im Jazz thing-Interview. „Nur wusste ich nicht, welches Programm eingestellt war, wann Wasser kam, wann der Schleudergang – und wann das Ganze aufhören wird.“ Nochmals führte sie Neuerungen ein, indem sie Bassklarinette und E-Gitarre in musikalischen Widerstreit schickt, und sang über den Körper als Käfig, lieh sich, aufbegehrend gegen die Endlichkeit, die Worte des Dichters Tiago Torres da Silva: „Jedes unserer Schicksale ist wie eine Beleidigung.“

Auf ihrem letzten Album, Animal Sentimental, das sie 2022 zusammen mit ihrer Autobiographie herausbrachte, ließ Mísia nochmals ihr Leben Revue passieren, auch die düsteren Kapitel von Vergewaltigung in der Ehe bis zu ihrer angegriffenen Gesundheit. Seit 20 Jahren immer wieder von verschiedensten Seiten mit Ehrungen und Preisen bedacht, geht mit ihr eine der umfassendsten Protagonistinnen des neuen Fado.

© Stefan Franzen

Mísia: „Ausência“
Quelle: youtube

Eine Schule des Lebens und des Todes

Fotoquelle: jbach, Flickr (Creative Commons)

Im Alter von nur 58 Jahren ist der malische Kora-Erneuerer und -Virtuose Toumani Diabaté nach kurzer Krankheit am 19. Juli in Bamako gestorben. Er war der international bekannteste Griot Westafrikas. Seine Reise führte durch Jazz, Flamenco, Blues und Pop, doch seine Stegharfe stand dabei stets in intensivem Kontakt zum Mutterboden. „Ich stehe in der 71. Generation einer Familie von Spielern der Kora, und ich habe sie immer als Identifikationsinstrument der Mande-Kultur respektiert“, sagte er mir 2006 in einem Interview. Toumanis Vater Sidiki nahm 1970 die erste Kora-Platte der Musikgeschichte auf, der Sohn trat dann schon in jungen Jahren als Innovator auf: „Ich hörte auch westliche Musik, Jimi Hendrix, James Brown, Otis Redding, Steve Wonder. Seit damals wollte ich alles unternehmen, um eine universelle Pforte für die Kora zu öffnen.“

Toumani Diabaté entwickelte in seinem Spiel eine stupende Unabhängigkeit von Bass, begleitenden Mittelstimmen und Improvisation auf den 21 Saiten wie kein anderer vor ihm, zu hören bereits auf dem ersten Solo-Album Kaira von 1988. Wenig später tat er sich mit dem englischen Folkjazz-Bassisten Danny Thompson und den spanischen Gitanos von Ketama zusammen, um die heute legendären Weltmusik-Frühwerke Songhai 1 & 2 aufzunehmen. Mit der US-Blueslegende Taj Mahal beschritt er 1999 die viel begangene Brücke zwischen Mali und Memphis, und im Team mit Jazzposaunist Roswell Rudd fand er 2002 swingende Dialoge zwischen zwei fast unvereinbaren Instrumenten. Sogar vom isländischen Popstar Björk erhielt er Heimbesuch, als sie neue Klangfarben für ihr 2007er-Album Volta suchte, mit Bluegrass-Star Béla Fleck ging er ebenfalls auf die Bühne. Diabaté suchte die intime Zwiesprache in Duos, wie etwa mit dem Kora-Kollegen Ballaké Sissoko, seinem Songhai-Kollegen Ali Farka Touré, schließlich auch mit dem eigenen Sohn Sidiki. Er machte aber auch Furore mit der Gründung der Bigband Symmetric Orchestra, in dem er alle Facetten und Talente aus dem Gebiet des Mande-Einflussgebietes wie in einem Brennspiegel sammelte, und er ließ die Kora in Dialog mit dem London Symphony Orchestra treten.

Nebenbei definierte er die Rolle des Griots ganz neu: „Heute ist seine Aufgabe, die Kultur der Mande-Völker über Afrikas Grenzen hinauszutragen, um andere Kulturen zu treffen. Der Griot ist nicht mehr dazu da, den Preis für einen speziellen Präsidenten zu singen, nein, er ist für die ganze Gesellschaft da. Denn die Schule des Griots ist eine Schule des Lebens und des Todes, eine Schule, in der gelehrt wird, wie sich ein Mensch zu den anderen verhalten soll, wie ein Mensch Frieden stiften kann.“ Für Toumani Diabaté galt stets: „Wenn das Mande-Reich eine Person wäre, dann wäre der Griot ihr Blut.“ Nicht nur Afrika, die ganze Welt hat einen großen musikalischen Vermittler und Denker verloren.

© Stefan Franzen

Toumani Diabaté & Sidiki Diabaté: „Jarabi“
Quelle: youtube

Heiligkeit, Freiheit und Mut

Mit dem multinationalen Bandkollektiv Ayom kommt frischer Global Pop-Wind auf badische Bühnen. In ihren Sound fließen Farben aus Brasilien, Cabo Verde, Angola und dem mediterranen Raum ein.

Ist die Ära der großen, schillernden Supergroups der Weltmusik nicht längst vorbei? Die Tage jener Bands, die Zutaten verschiedener Erdteile mischen und daraus ein manchmal spritziges Gebräu, allzu oft aber auch eine saucenhafte Tunke kredenzen, schienen gezählt. Doch jetzt ist das Kollektiv Ayom auf den Plan getreten, mit Mitgliedern aus Brasilien, Spanien, Italien und Griechenland, mal von Barcelona, mal von Lissabon und Florenz aus wirkend – und sie gehören eindeutig der spritzigen, belebenden Seite an.

Lange war Barcelona Brutstätte einer Mestizo-Szene, die in den 1990ern und 2000ern mit Manu Chao oder den Ojos De Brujo wegweisende Klangmarken setzte, sich irgendwann aufgrund der Beliebigkeit ihrer Stilmélange aber totgelaufen hatte. Als Ayom, benannt nach der afro-brasilianischen Orixá-Gottheit der Musik, 2021 ihr Debütalbum veröffentlichten, weckte das weniger Erinnerungen an den wilden Mestizo-Sound von einst. Die Band versuchte vielmehr, einen spannenden Ansatz mit spiritueller Tiefe und ausgefuchsten transatlantischen Bezügen zu finden. Mit der süffigen Stimme der Brasilianerin Jabu Morales und dem omnipräsenten Akkordeon von Alberto Becucci im Zentrum dokumentierten die Songs des Erstlings eine Bandarbeit, die am zeitlosen afro-portugiesischen Klangidiom gewachsen ist, und nicht an zusammengestoppelter Mischkultur.

Jetzt vertieft das Sextett um Morales diese Klangphilosophie mit dem zweiten, im September erscheinenden Konzeptalbum SA.LI.VA., dem im Sommer eine Europa-Tournee vorausgeht. Auch auf dem Lörracher Stimmenfestival und dem Karlsruher Zeltival sind die Musiker zu erleben. „SA.LI.VA.“ steht für „sagrado, liberdade, valentia“ – die portugiesischen Worte für heilig, Freiheit und Mut. Jeder dieser Sphären ist ein Abschnitt auf dem Werk gewidmet, das außerdem vom Glauben an die Orixás getragen wird, den Gottheiten der afrobrasilianischen Candomblé-Rituale.

Stilistisch ist SA.LI.VA. überhaupt nicht zu fassen, zu vielgestalt sind die Einwebungen: Mit Streichern, Akkordeon und großartig sanfter Stimme wird zu Beginn die Obergottheit Oxalá angerufen, Farben der kapverdischen Melancholie sind hier hineingewirkt. Tänzelnd vereinen sich Pianotropfen, Samba-Percussion und lusitanische Gitarrentremoli in „Filhos Da Seca“. Rituell-hymnisch wird es in einer Ode an Oxum, der Göttin der Schönheit und Liebe. Und flugs geht es für die Einleitung des festiven „Freiheits“-Abschnitts in den Nordosten Brasiliens, von wo die fröhlichen, flinken Rhythmen des Karnevals in „Eu Quero Mais“ hineinfließen, inklusive opulentem Blechblasapparat. Bereichert wird dieses große Netzwerk der Sounds durch Gäste: In „Kikola N’goma“ feiert der Angolaner Paulo Flores die transatlantischen Verbindungen mit einem Paket tropischem Gitarren-Swing. Die größte Überraschung kommt im Finale auf unsere Ohren zu: „Io Sono Il Vento“, ein italienischer Fünfzigersong mit viel mediterranem Schmelz, singt Jabu Morales im herzerweichenden Duett mit dem portugiesischen Star Salvador Sobral.

Selten offenbarte sich in der globalen Musik während der letzten Jahre eine solche durchdachte, aufregende und tiefsinnige Vielfalt. Auf die Bühnenumsetzung kann man nur gespannt sein.

© Stefan Franzen

Platte:
„SA.LI.VA“ (Ayom/Believe, VÖ: 13.09.)

live:
Rosenfelspark Lörrach (Stimmenfestival), 18.7.
Zeltival Karlsruhe, 24.7.

AYOM: „Oxalá, Promessa Do Migrante“
Quelle: youtube

 

Fünftöniger Soul

Feven Yoseph
Gize
(Blue Pearls Music)

Wenn Jazzliebhaber vom äthiopischer Musik reden, fällt meistens der Name Mulatu Astatke. Der Pianist und Vibraphonist hat vor Jahrzehnten schon mit dem Ethio Jazz eine Verschmelzung äthiopischer Skalen und Jazzvokabular geprägt. Doch wie sieht es heute aus? Gibt es junge Landsleute von Astatke, die ähnliche Experimente wagen? Die Sängerin Feven Yoseph könnte man als Pionierin des Ethiopian Soul bezeichnen. Jetzt ist ihr neues Werk Gize erschienen.

Die großen weiblichen Stimmen der äthiopischen Musik, Aster Aweke oder Gigi, haben sie beeinflusst. Doch gerade mit ihrer Vorliebe für Blues und Soul strebt sie eine universellere Sprache an. Zwar dichtet und singt sie in ihrer Muttersprache Amharisch – und das sehr bilderreich bis philosophisch. Aber die Textur ihrer Songs steht zwischen dem äthiopischen Erbe und einer anspruchsvollen internationalen Popsprache. In ihrer neuen Heimat Berlin hat sie dafür eine Band gefunden, in der auch der Trompeter und Keyboarder der bekannten Jazzband Masaa, Marcus Rust mitmischt.

SRF 2 Kultur strahlt in der Sendung „Jazz & World aktuell“ mein Interview-Porträt der Sängerin aus, zu hören am Dienstag, den 9.7. ab 20h.

Feven Yoseph: „Sewer Fiqir“
Quelle: youtube

Spannungsgeladene Glanztat

Àbáse
Awakening
(Oshu Records/Analogue Foundation)

Szabolcs Bognár kommt aus der ungarischen Jazz- und HipHop-Szene und hat sich seit 2018 in Berlin etabliert. Mit dem Septett Àbáse hat der Produzent und Keybaorder auf der Scheibe Awakening (Oshu Records/Analogue Foundation) eine schwer klassifizierbare Fusion geprägt, die auf- und anregend ist. Unverkennbar sind Afrobeat und Highlife ein Tummelplatz, wie in der überragend groovenden Nummer “Menidaso” mit ghanaischer Vokalpräsenz von Eric Owusu, doch pflegt man hier keine straighte Afro-Adaption, sondern lässt Raum für breitwandige Fusionstrecken.

Herrlich, wie die glasige Fender Rhodes sich ins hektisch-virile Rhythmusgefüge von “Destruction Everywhere” einbetten lässt. wie verträumt Sax und Flöte mit dem Moog sphärische Klänge über einem Sechsertakt in “Orbit Sirius” kreieren. In “Bloom” dagegen scheint die Zeit mit Pianoperlen und pentatonischer Flöte eingefroren. Kosmisch frei wird es mit dem Gastauftritt von Knoel Scott und Cecil Brooks aus der Sun Ra Arkestra-Entrourage, bevor dem Orixá-Donnergott “Shango” in pompöser Bigband-Manier gehuldigt wird. Eine spannungsgeladene, spirituelle Glanztat, dieses Album.

© Stefan Franzen

Àbáse: „Orbit Sirius“
Quelle: youtube

Ohren auf Weltreise

OHREN AUF WELTREISE
heißt mein Buch, das am 25.4.2024 im Hannibal-Verlag erschienen ist.

Hier finden Sie – soweit online verfügbar – alle Links zu den beschriebenen Musikstücken (sie folgen im Allgemeinen den YouTube-Clips) und ebenso Verweise auf die Webpräsenzen der Künstlerinnen und Künstler.

Alternativ ist die Playlist auf Youtube und Spotify zu finden:
https://www.youtube.com/playlist?list=PLnHjBn51abF05ac9sAw1Am_xiUvyFVbf1
Ohren auf Weltreise – playlist by Stefan | Spotify

 

JANUAR

1 – Gloria Estefan – Abriendo Puertas – YouTube

gloriaestefan.com

2 – Enrique Morente Estrella – YouTube

3 – Marcos Valle – Dorme Profundo (1965) – YouTube

Marcosvalle.bandcamp.com

4 – Awa Ly- Close Your Eyes – YouTube

awalymusic.com

5 – Tuit Tuit – YouTube

rokiatraore.net

6 – Kimiad, une chanson d’Alan Stivell – YouTube

alanstivell.bzh

7- Rhiannon Giddens – Angel City – YouTube

rhiannongiddens.com

8 – Imarhan – Achinkad (Official Video) – YouTube

imarhan.bandcamp.com

9 – Mau Mau – Adorè – YouTube

10 – Orchestre Poly Rythmo De Cotonou – Mi Ni Non Kpo – YouTube

polyrhythmo.com

11 – NIVE & THE DEER CHILDREN – TULUGAQ | GLITTERHOUSE RECORDS – YouTube

12 – Panama’m Tonbe – YouTube

lakoumizik.com

13 – Aretha Franklin – Amazing Grace (Live at New Temple Missionary Baptist Church, 1972) – YouTube

14 – My word is Free ( كلمتي حرة ) , English Subtitled (Tunisian revolution) – YouTube

Emel Mathlouthi – kelmti horra – YouTube

emelmathlouthi.com

15 – Mellom Fjell – YouTube

icemusic.no

16 – L’appel Du Muezzin – YouTube

Les Cathédrales – YouTube

matsag.com

17 – Witch ’n‘ Monk – Witch ’n‘ Monk – Boomkat

witchnmonk.com

18 – Kate & Anna McGarrigle – Complainte pour Ste-Cathérine • TopPop – YouTube

19 – Ivan Lins – Todo Mundo | SWR Big Band – YouTube

ralfschmid.de

ivanlins.com.br

20 – Mitsune 蜜音 – Hazama – YouTube

mitsune.de

21 – O Trem Azul – YouTube

Elis Regina – O Trem Azul – YouTube

22 – Lizz Wright – I Remember, I Believe – YouTube

lizzwright.net

23 – Ndiredi – SIMPHIWE DANA – YouTube

simphiwedana.co.za

24 – Dawanggang 大忘杠 – Four Ways 四条道 – YouTube

dawanggang.com

25 – Blue Rose Code – Over The Fields (For John) – Live At GloWormRecording, Glasgow – YouTube

bluerosecode.com

26 – Hiddo – YouTube

sahra-halgan.com

27 – Esther Bejarano & Coincidence – Shtil, di nakht is oysgeshternt – YouTube

28 – Dina El Wedidi – Alive | دينا الوديدي – عايشة – YouTube

dinaelwedidi.com

29 – Permafrost-Berrogüetto – YouTube

30 – Gaye Su Akyol – İstikrarlı Hayal Hakikattir (Official Video) – YouTube

gayesuakyol.com

31 – Joyce – Feminina – YouTube

joycemoreno.com

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Vier Flöten und ein Trommelfell


Nancelot
Nancelot
(Unit Records)

Es gibt Zeitgenossinnen und -genossen, denen Block- und auch Querflöte gewaltig auf den Senkel geht. Für sie wird das Debüt des Quintetts Nancelot eine gewaltige Herausforderung sein – oder es wird sie im besten Fall bekehren. Um die Schaffhauser Musikerin Nancy Meier sind hier gleich vier Flötistinnen zugange, aber wie: Die geblasenen Linien umweben sich in vielschichtigsten Abwandlungen in epischen Stücken, die jedes für sich wie ein akustischer Kurzfilm mit fantasievoll gesponnener Dramaturgie sind.

Da blitzen mal barocke Sequenzstrukturen auf, zarte Syrinx-hafte Gebilde fliegen durch die Luft, oder Loophaftes wie in der vielzitierten Minimal Music rückt in den Vordergrund. Mit den perlenden, dichten harmonischen Sätzen unter der Melodie denkt man phasenweise auch an eine quirlige, schwerelose Improvisation auf einem Orgelmanual. Und verspielte, freie Interludien machen klar: Hier gibt es zwischen den vier Flöten eigentlich gar keine Hierarchien.

Der Clou ist jedoch, dass sich Meier, Eline Gros, Camille Quinton und Anett Kallai noch den deutschen Schlagzeuger Tilo Weber dazugeholt haben, der mal mit feinem Liebkosen die Melodien rhythmisch unterstreicht, zwischendrin aber auch mal in einem polternden Anflug viril konterkariert. Dringende Empfehlung: Entdecken Sie diese vier Damen und ihren Drummer im Eröffnungskonzert des Schaffhauser Jazzfestivals am 22. Mai!

© Stefan Franzen

Nancelot live: 22.05. Schaffhauser Jazzfestival, 01.07. Südtirol Jazzfestival, 20.11. Bird’s Eye Basel, 21.11. ReJazz Festival Berlin

Nancelot Album Trailer
Quelle: youtube

Maroquélectrique

Foto: Brice Bottin

Bab L’Bluz
Swaken
(Real World Records)

Dieser wilde Sound sticht aus der Vielzahl von Bands des schwammigen Genres Desert Blues heraus: Das Lyoner Quartett Bab L’Bluz um die marokkanische Sängerin Yousra Mansour und den Multiinstrumentalisten Brice Bottin setzt mit einer ansteckenden Kombination aus psychedelischem Bluesrock, Dub und den Klangfacetten der Ethnien zwischen Atlantikküste und tiefer Wüste die Gehörgänge in Brand.  „Wir verstehen uns als erweitertes Powertrio im Geiste der Bands von Jimi Hendrix“, sagte Mansour beim Release des Debüts Nayda! und spielte darauf an, dass der Gitarrenheld ja auch einige Inspirationen in Marokko empfing, vor allem von der rituellen Musik der Gnawa, der schwarzen Minderheit Marokkos.

In den fünf vergangenen Jahren hat die Band Fans von Skandinavien über Italien bis nach Australien gewonnen und vor Zehntausenden gespielt. Was ist ihr Geheimnis? „Es ist eine junge Band, die ein sehr junges Publikum zieht, und das auf Weltmusik- genauso wie auf psychedelischen Rock-Festivals. Früher wurden sie als ‚Gnawa-Rock‘ vermarktet, aber ihre Einflüsse gehen weit darüber hinaus“, so Bab L’Bluz Agent Norbert Hausen.

Das macht der Zweitling Swaken sehr deutlich. Hinter der seltsam klingenden Namensgebung verbirgt sich im marokkanischen Dialekt des Arabischen, dem Darija, das Wort für die Geistwesen, die einen Menschen besetzen können, auch der Begriff für den Besuch in einer anderen Dimension. Ob man an diese Art der Transzendenz glaubt oder nicht, beim Hören des Albums stellen sich zumindest Gefühle einer Besessenheit von Klängen ein.

Im Vergleich zum Debütwerk haben Bab L’Bluz an vielen Stellschrauben optimiert. Die Klangarchitektur ist breiter, noch mehr auf eine grandiose Panaroma-Wirkung angelegt, und trotz Wall Of Sound ist die Stimme von Yousra Mansour präsenter, wird oft chorisch vervielfacht. Zum anderen ist die Verstärkung der traditionell basierten Lauten ausgefeilter und cleaner. Mansour spielt eine Awisha, ein Instrument, das von der Gnawa-Basslaute Gimbri abgeleitet ist, eine Oktave höher klingt, und eingestöpselt wie eine besonders ruppige E-Gitarre tönt. Dazu kommen eine Electro-Mandola und eine ebenfalls elektrifizierte Ribab, eine einsaitige Fiedel aus der Berber-Kultur. Außerdem sind Gitarre, Banjo, die Flöte der westafrikanischen Fulbe-Nomaden und die durchdringende Schalmei Zorna im Aufgebot. Und eine Menge maghrebinischer Perkussion von den klappernden Qraqebs bis zur Rahmentrommel Bendir.

Bab L’Bluz: „Iwaiwa Funk“
Quelle: youtube

Weiter aufgefächert als auf dem Erstling ist auch die Verbeugung vor der Diversität der marokkanischen Kultur: Mit „Wahia Wahia“ greift die Band ein Volkslied der marokkanischen Beduinen auf und bauscht es zu einer gewaltigen, räumlich swingenden Hymne auf. Der auf einem Ton insistierende Gesang über Frauenrechte erzeugt im maurischen Song „Zaino“ einen fantastischen Sog mit den Wah Wah-Riffs auf der Awisha.

Ein Vokalstil aus dem Hohen Atlas wird im „Iwaiwa Funk“ verarbeitet, in „Ya Leilo“ finden gleich Einflüsse von vier Ethnien – der Tuareg, der Hassania, der Gnawa und der Houara-Berber – zu einem bassgetriebenen Groove zusammen. Einen kleinen Entspannungswimpernschlag bietet schließlich ein jemenitischer Folksong, bevor es in das hitzige Highlight „Karma“ hineinbiegt, ein Gesang der marokkanischen Aissawa-Sufis. Kämpferische Lyrics über patriarchale Strukturen, ein Lobpreis starker marokkanischer Frauengestalten und Aufrufe zu Toleranz und Mitmenschlichkeit ziehen sich als roter Faden durch „Swaken“. Ein wilder Ritt durch die marokkanische Klanghistorie mit der Rockenergie von heute.

© Stefan Franzen

Bab L’Bluz live: Afrikafestival Schwäbisch Hall, 31.5. – Zeltival Karlsruhe, 4.7.

Bab L’Bluz: „AmmA“
Quelle: youtube

Lichtstrahl als Wegweiser


Foto: Lucia Durietz

Electro Cumbia – ein Stil, der seit 10 Jahren in der globalen Musik mitmischt und von Kolumbien und Argentinien ausgehend den ganzen Erdball erobert hat. Schillernde Queen der Electro Cumbia ist die Argentinierin Mariana Alejandra Yegros, kurz La Yegros.

Was sich hinter dieser Musik verbirgt und wie La Yegros ihn auf ihrem neuen Werk HAZ („Lichtstrahl“) verarbeitet hat, das erfuhr ich im Gespräch mit der Sängerin aus Buenos Aires, die mittlerweile in Paris lebt.

SRF 2 Kultur sendet meinen Beitrag am Dienstag, den 14.05. ab 20h in der Sendung Jazz & World aktuell.

La Yegros: „Donde“
Quelle: youtube