Matthias Loibner
Lichtungen
(Traumton/Indigo)
Sie steht nicht gerade im Verdacht, ein sexy Instrument zu sein: Von alters her assoziiert man die Drehleier – siehe Schuberts „Winterreise“ – eher mit Armut und Monotonie. Kein Wunder, dass der schnurrende Kasten von modernen Leiermännern wie Valentin Clastrier elektronisch aufgepimpt wurde. Die wahre Herausforderung besteht aber darin, das Äußerste aus ihrer naturbelassenen Akustik herauszuholen, und das beherrscht der Steirer Matthias Loibner wie kein anderer. Auf seinem aktuellen Solowerk wirft der umtriebige Mann, der mit Jazz- und Balkanorchestern, Anarchofolkern und in der Klassik arbeitet, sämtliche Grenzmarken des klobigen Kastens über den Haufen. In „Glutsbrüder“ wird sein Instrument zum waidwunden, obertönig klagenden Biest, in „Folhas Cintilantes“ gruppieren sich barocke Leuchteffekte zu einer Mechanik, die wie ein Taubenschlag flattert. Der „Kitchen Rain“ tänzelt mit arabeskem Pizzicato über den Boden. „Haut“ und „L’Eau Dans La Mer“ klingen wie versonnene Meditationen eines Organisten in einer Dorkirche, „Wings“ wie die Reise eines mächtigen urzeitlichen Sagenvogels. Loibners Leier erzählt die Musik des ganzen Planeten – und auch des Himmels. Man kann ab sofort von „Hurdy Gurdy-Soul“ sprechen.