Foto: Outhere
Im Büro seiner Münchner Plattenfirma Outhere hat Smockey ein langes Interview gegeben, das Georg Milz mir zur Verfügung gestellt hat und das ich transkribiert habe. Ein eindrückliches Beispiel dafür, wie sich ein Volk mit zähem und vereintem Willen von einem Autokraten befreit hat – unter Führung von Musikern, und mit einem schlichten Besen als Widerstandssymbol. Danke an Outhere für die eindrücklichen Fotos.
Outhere: Smockey, es war nicht so einfach für dich, hierher zu kommen. Vielleicht kannst du erklären, was du in den letzten drei Wochen durchgemacht hast.
Smockey: Wir hatten einen Putsch der Präsidentengarde des gestürzten Diktators Blaise Compaoré und mussten uns organisieren, um dieser schlimmen Situation zu begegnen und schnell zu reagieren. Denn schnell musste es gehen, wir wären sonst Gefahr gelaufen, dass sie an der Macht bleiben und wir die Errungenschaften der Revolution von 2014 verlieren. Wir haben uns also am Platz der Revolution versammelt, haben Leute zusammengetrommelt, sich uns anzuschließen und sind zum Präsidentenpalast marschiert. Als wir noch ein paar Hundert Meter vom Palast entfernt waren, haben sie begonnen auf uns zu schießen. Es wurde sehr gefährlich, wir mussten uns in den Hausblöcken verstecken. Die RSP (Präsidentengarde) hat vor allem nach den Anführern unserer Bewegung Balai Citoyen gesucht. Nach Hause zurück konnte ich nicht, ich musste mich verstecken und habe meine Familie angerufen, damit sie sich verrammeln. Über Facebook und per SMS haben wir unsere Untergrundkämpfer mobilisiert. Denn unsere zweite Strategie war es, alle Zugänge zu und Ausgänge von Ouagadougou zu blockieren, den RSP zu lähmen. Die Bevölkerung von Ouagadougou, eigentlich von ganz Burkina Faso war sehr entschlossen, diesen Putsch zu stoppen.
Outhere: Hast du an irgendeinem Punkt gefürchtet, dass sie dich fangen würden?
Smockey: In dieser Situation denkst du nicht darüber nach, du versuchst einfach zu fliehen. Denn die waren sehr entschlossen, uns fertig zu machen, das haben sie mir in vielen SMS klar gemacht. „Wenn wir dich kriegen, bringen wir dich um.“ Und andere Sachen, die ich nicht wörtlich wiedergeben kann, das verbietet mir meine Erziehung. Sie gingen in meinen Block und fragten meine Nachbarn, wo genau ich lebe. Alle sagten:“Wir wissen nicht, wo er wohnt.“ Dann sind sie zu meinem Studio gezogen und haben es mit zwei Raketenwerfern zerstört. Meien Nachbarn haben das Feuer zum Glück gelöscht, aber ich habe viel Material verloren und muss alles neu aufbauen. Sie sind dann weiter durch das Viertel gezogen und haben rumgeschrien, wo ich wohne, meien Familie hat das von drinnen gehört und sie konnten durch den Hinterausgang zu einem Nachbarn flüchten. Wir konnten uns also alle retten, der Widerstand konnte weitergehen. Über zwei Wochen habe ich mein Versteck immer wieder geändert und während dieser Zeit war es unser Ziel, die Armee zu überzeugen, dem Volk beizustehen. In den letzten Tagen hat sich dann die Armee auf unsere Seite geschlagen und der Kampf war fast gewonnen. Aber es war eine sehr gefährliche Situation und wir hatten keine andere Wahl, als zu gewinnen. Denn sonst wäre die vierte Republik von Blaise Compaoré zurück an die Macht gekommen. In seinem Exil in Abidjan war er schon dabei, das neue Kabinett zusammenzustellen, mit seinem jüngeren Bruder und so weiter.
Outhere: Wie war ihre Strategie, den Widerstand zu brechen?
Smockey: Sie haben eine Menge Sachen unternommen. Sie haben zum Beispiel die Motorräder unserer Kämpfer angezündet, sogar Fahrräder von alten Leuten angezündet oder Leute verprügelt, die ein schwarzes T-Shirt anhatten, weil die T-Shirts unserer Bewegung auch schwarz sind und eine weiße Faust drauf haben. Sie haben versucht, das Telefonnetz zu unterbrechen, wussten aber nicht wie und haben nach Leuten gesucht, die bei den Telefonkonzernen angestellt sind. Aber die haben nicht mit ihnen kooperiert. Die Verbindung war zwar langsam, aber sie war noch da. Sie haben zwei Radiostationen niedergebrannt und die Zeitungen geschlossen, wir mussten also ein Piratenradio in Gang bringen, das dann zwei drei Tage auf Sendung war. Sie haben mehr als zwanzig junge Leute umgebracht, die friedfertig in den Straßen demonstrierten, ohne Vorwarnungt. Die genaue Zahl ist nicht bekannt, denn sie haben die Leichen sofort mitgenommen.
Als dann die Cedeao (Vertreter der Ecowas-Staaten) kam, um zu vermitteln, forderten sie von uns, dass wir eine Amnestie für die RSP akzeptieren sollten, das war für uns natürlich undenkbar, deshalb gingen wir sofort wieder auf die Straße. Wir wollten, dass die gesamte Regierung sich für ihre Straftaten vor Gericht verantworten muss. Und wir wollten die Wahlen sicherstellen, und nicht, dass die Entscheidung des Rates in Frage gestellt wird. Wir haben gewonnen, das ist das Wichtigste! Wir haben eine Menge Leute verloren, im Namen der Freiheit und Demokratie, der Zukunft des Landes. Es ist nicht nur wichtig, an dich selbst zu denken, sondern an deine kleinen Brüder und Schwestern, die nach uns kommen. Wir müssen stolz auf diese Generation sein. Wir haben unsere Mission erfüllt.
Vielleicht können wir etwas in der Geschichte zurückgehen – wie ist denn diese politische Situation überhaupt entstanden?
Smockey: Damit ihr die Situation versteht, gehe ich zurück in der Zeit.
Am 30. und 31.Otkober 2014 haben wir eine Revolution gemacht, denn der Ex-Präsident Compaoré, der seit 27 Jahren im Amt war, hat versucht, die Verfassung zu ändern, um für immer an der Macht zu bleiben. Danach haben wir uns auf eine Interim-Regierung geeinigt, die aus Militär, der Zivilgesellschaft und traditionellen Stammeschefs bestand. Wir haben eine Carta verfasst, mit dem Ziel, am 11. Oktober 2015 freie Wahlen durchzuführen. Aber der Großteil von Compaorés Präsidentengarde war noch in Burkina Faso. Die haben etliche Leute auf dem Gewissen, die sie im Zuge von Wirtschaftskriminalität aus dem Weg geräumt haben, aber sie waren immer noch im Land, um für den Präsidenten und seine verbliebene Herrscherkaste zu arbeiten. Sie haben drei Mal Minister als Geisel genommen, beim vierten Mal haben sie den Putsch gemacht und wollten die Interimregierung stürzen. WIr haben gleich gesagt: Nein, selbst wenn ihr die Waffen habt und wir nichts, haben wir die Macht, denn wir sind das Volk. Es ist nicht mehr so wie 1987, als Compaoré Thomas Sankara getötet hat, um an die Macht zu kommen. Jetzt wissen die Menschen, wie man kämpft, sie wissen, was die Probleme im Land sind, sie sind miteinander vernetzt und können sich organisieren. Heute reicht es nicht, einfach die Fernsehstationen zu besetzen und zu erklären, eine neue Regierung sei im Amt. Das war also ein dummer Putsch. Sie wurden lediglich unterstützt von Alassane Ouattara in der Elfenbeinküste und von einigen diplomatischen Authoritäten, aber sie waren naiv und glaubten, der Putsch würde ein Erfolg werden.
Wie wurden die Menschen mobilisiert? Waren sie inspiriert durch die Aufstände in Ägypten und im Senegal?
Smockey: Jede Situation ist verschieden. Aber natürlich bekommt jeder mit, was um ihn herum passiert und zieht seine Erfahrung daraus, wie er mit der eigenen Situation umgeht. Wir haben zwei Jahre lang Leute mobilisiert und sensibilisiert, dass sie in Aktion treten müssen, um das System zu stoppem. Soziale Medien waren auch wichtig, vor allem in der Hauptstadt und in der Diaspora, denn nur 5% der Bevölkerung haben Zugang dazu. Um mit der Provinz in Kontakt zu bleiben, hatten wir Motorradfahrer, die mit Megaphonen aufs Land gefahren sind, Leute, die in Busse gestiegen sind, und Überzeugungsarbeit geleistet haben. Dann haben sich immer mehr Menschen auf dem Platz der Revolution versammelt. Wir haben den Leuten klar gemacht, dass die Regierung nicht dazu da ist, für die Klanchefs zu arbeiten, sondern für uns, das Volk. Sie sind Angestellte. Und wenn sie ihren Job nicht machen, ist es sehr leicht, sie zu feuern. Das müssen die Leute kapieren.
Auf dem Platz der Revolution haben wir Engagement mit Unterhaltung gemischt, politisch bewusste Künstler sind aufgetreten, wir haben Reden gehalten und den Leuten genau erklärt, was sich an der Macht abspielt. und wie wir uns organisieren müssen.
Und wir hatten eine Menge Revolutionslieder, die Menschen kamen mit Percussion, Trillerpfeifen, Besen. Und wir hatten immer Wasser und Karitébutter dabei, um unsere Gesichter und Nasen vor dem Tränengas zu schützen, dei Tränengasbomben gleich in Bottichen zu ersticken.
Wie spielten sich dann die entscheidenen Momente ab?
Smockey: Blaise Compaoré war nicht darauf vorbereitet zu gehen. Er wollte die Verfassung ändern, aber es war zu spät. Denn es gab schon zwei Opfer, die um sein Haus herum erschossen wurden, sein Bruder unter anderem. Es wurden eine Menge Symbole der vierten Republik verbrannt, das Haus der CDP, der Mehrheitspartei. Wir haben dann versucht, ein Arrangement mit dem Militär zu treffen. Wir baten sie, für Sicherheit im Land zu sorgen, denn es gab Plünderungen. Zum zweiten wollten wir den sofortigen, bedingungslosen Rücktritt von Compaoré. Sie haben 15 Minuten darüber nachgedacht und haben dann eingewilligt. Dann wurde die Interim-Regierung gebildet. Ich bin sehr optimistisch, wir sind jetzt auf einem guten Weg mit Burkina Faso. Wir lassen uns nicht unterkriegen.
Kannst du ein paar Dinge zusammenfassen, die unter Compaoré aus dem Ruder liefen und die Leute auf die Straße brachten?
Smockey: Blaise Compaoré kam 1987 an die Macht, nachdem er Thomas Sankara, den Held vieler Afrikaner heute, hat umbringen lassen. Er war 27 Jahre an der Macht, er hat 1998 den Journalisten Norbert Zongo umbringen lassen, auch Weggefährten von Thomas Sankara. Er hat mehr als 100 Bluttaten begangen. Burkina Faso wurde von Thomas Sankara gegründet und der Name bedeutet: Land der aufrichtigen Menschen. Aber unter Compaoré wurde die Korruption eingefgührt, Wirtschaftskriminalität, alles wurde unter den Teppich gekehrt. Compaoré hat Leute erpresst und bedroht, er war ein Diktator. 1997 hat er schon einmal die Verfassung geändert, das Volk hat zu spät reagiert. Nach dem Mord an Zongo aber wurden die Leute zornig, jeder wollte das verhasste Regime loswerden. Als er jetzt wieder die Verfassung ändern wollte, hat das Volk das nicht mehr akzeptiert.
Wirst du nun selbst Politiker? Gibt es junge Leute, die Politiker werden wollen?
Smockey: Ich denke, jeder muss Politiker sein, das ist gerade in Afrika notwendig. Denn wir sind der reichste Kontinent mit den ärmsten Menschen. Das Problem ist: Die Politik spieletdas Spiel der großen Macht in der Welt, aber sie kümmern sich nicht um ihre Völker. Jeder muss die Spielregeln der Politik kennen und den Mächtigen sagen. Wenn ihre nicht gut genug seid, dann gibt es andere! Wir brauchen Konkurrenz. Darum ermutigen wir junge Menschen, Politiker zu werden, ein Bewusstsein dafür zu entwickeln. In Burkina Faso, wie in anderen afrikanischen Staaten, sind 65% der Bevölkerung unter 27 Jahren. Auf die müssen wir zählen, aber ihr Interesse muss geweckt werden. Ich bin Künstler, aber bevor ich Künstler bin, bin ich Bürger, und ich trage Sorge für die Zukunft meines Landes. Im Moment setze ich persönlich meinen Akzent auf Musik, denn ich denke, als Musiker kann ich nützlicher sein, denn als Politiker. Ich kann die Sachlage den Menschen in meinen Songs erklären. Wir sind 17 Millionen Burkinabe, jeder von uns kann mit einem guten Programm Präsident sein.
Du hast in Frankreich studiert, warum bist du nach Burkina Faso zurückgekehrt?
Smockey: Wenn die Leute im Ausland bleiben, dann, weil sie in ihrem Land keine Chance haben. Aber um diesen Zustand zu kurieren, um in einem kleinen Paradies zu leben, musst du für dieses kleine Paradies arbeiten. Was wir großen Staaten wie Frankreich, Deutschland, England und den USA sagen: Beendet die Heuchelei. Wenn ihr Afrika helfen wollt, dann helft. Aber hört auf mit den politischen Spielchen. Denn wenn es nicht funktioniert, werden alle Afrikaner nach Europa kommen. Und was das heißt, sehen wir gerade jetzt anden Flüchtlingszahlen. Sie kommen zu euch, denn ihr unterstützt die Diktatoren, ihr verkauft Waffen an die Regimes, denn ihr wollt die Welt dominieren und beutet unsere Ressourcen aus. Und je ärmer wir werden, desto mehr Leute von uns werden zu euch kommen und euch stören.
Ich ziehe es vor, in meinem Land zu bleiben. Ich will, dass alle Afrikaner zuhause glücklich werden. Wenn wir das nicht tun, wird es einen Butterfly Effect geben. Ein kleines Problem in Afirka kann ein großes Problem für die Welt werden.
Kannst du das Symbol des Balai Citoyen erklären?
Smockey: „Balai“ heißt Besen. Mit einem Besen macht man sauber, und genau das müssen wir tun. Wir müssen Korruption, Ungerechtigkeit und schlechte Regierungsführung wegfegen. Ein traditioneller afrikanischer Besen besteht aus vielen Blättern. Wenn du nur ein Blatt hast, dann ist es schwierig zu fegen, aber wenn du viele zusammenbindest, kannst du große Flächen sauber machen. Darum ist es unser Symbol. Der Besen mit einer Faust am Ende, die für unseren Kampf steht. Und unser Slogan lautet: Notre nombre est notre force.
Vielleicht können wir jetzt über die CD sprechen. Sie trägt den Titel „Pre’volution“…
Smockey: Die erste Fassung der CD geht auf die Zeit vor der Revolution zurück, zwei, drei Jahre zuvor habe ich schon diese Texte geschrieben. Warum habe ich das Album Pre’volution genannt? Weil ich das Konzept der Revolution als ein dreiteiliges ansehe. Der erste Teil ist die Vorahnung: Du musst dich organisieren, alles vorbereiten, du musst wissen, was passieren wird, nur so kannst du auf alles gefasst sein. Die Farbe der Vorahnung ist gelb, deshalb ist das Album gelb. Der zweite Teil ist Aktion, ihre Farbe ist rot. Der letzte Schritt ist, die Rechte wieder herzustellen, die Mentalität der Leute zu ändern, denn du willst ja nicht in die alten Muster zurückfallen, die ganze Gesellschaft soll sich hin zu einer wirklichen Demokratie ändern. Das nenne ich Evolution, und ihre Farbe ist grün. Gelb, rot und grün – das ist die Fahne von Burkina Faso, ebenso sind das die Farben Afrikas.
Sprechen wir über einige Songs und ihre Bedeutung. Zum Beispiel „On Passe À L’Attaque“.
Smockey: Diesen Song habe ich drei Jahre vor der Revolution geschrieben und er beschreibt, wie es sein wird, wenn wir handeln. Denn nach den ganzen Reden, dieser mentalen Masturbation, müssen wir handeln. Diskussionen und eine ausgearbeitete Strategie sind wichtig, aber dann muss die Aktion kommen. Ich singe darüber, wie wir raus gehen, den Leuten zeigen, was sie machen sollen, die Ereignisse vom 30. und 31.10.2014 werden beschrieben. In „Fierté Chevaline“ singe ich darüber, dass nicht nur der Sieg wichtig ist, auch die Niederlage, denn sie lehrt dich mehr als der Sieg, zum ersten Mal merkst du, dass du auch verlieren kannst und dich neu aufstellen musst, dass du entschlossen sein musst, bis du siegst.
„Le Président, Ma Moto Et Moi“ ist eine Art Metapher. Ich sage zum Präsidenten: „Komm mit mir, wir machen eine Tour durch sie Statd auf meinem Motorrad, denn ich glaube, du weisst nicht, wie es in deiner Stadt aussieht.“ Der Präsident kommt also mit mir und ich sage zu ihm: „Siehst du, wie teuer das Benzin ist, das du umsonst bekommst? Siehst du, dass die Verletzten im Krankenhaus nicht versorgt werden können?“ So lernt er die Realität jenseits seines Palasts kennen. Dann passiert ein Unfall, und der Verunglückte muss ins Krankenhaus. Aber er muss unter den Augen des Präsidenten sterben, denn es gibt nicht mal Sauerstoff.
Um was geht es im letzten Song „Combattants Oubliés“?
Smockey: Das ist der Song mit Amadou Ballaké, mein großer „Bruder“, möge er in Frieden ruhen, er starb vor ein paar Monaten. Ein großer Verlust, er war ein großartiger Sänger, hat auch Salsa gesungen mit Africando. Es geht um die Veteranen im Zweiten Weltkrieg, die jetzt keine Rechte haben. Wir erinnern an das, was sie für Frankreich getan haben. Viele Afrikaner wurden an die Front gestellt, geopfert. Und als die Siegesparaden auf den Champs Élysées waren, da waren sie nicht dabei. Das ist inakzeptabel, eine Beleidigung für diesen Kontinent. Es ist unser Tribut an die Veteranen, die ihr Blut für die Zukunft Europas gegeben haben. Die Europäer kamen zurück und rauchten guten Tabak, aßen gute Schokolade, sehr bequem. Es geht mir nicht um Geld, es geht darum, dass das einfach anerkannt wird, der Beitrag Afrikas für die europäische Freiheit.
Um was geht es in „On Se Developpe“?
Smockey: Hier geht es um den Faso Dan Fani. Ich spreche hier davon, das ein Volk sich nur entwickeln kann, wenn es seine eigenen Produkte konsumiert. Dieser Faso Dan Fani ist ein traditionelles Kleidungsstück, Thomas Sankara hat eine Fabrik dafür gebaut und die Menschen ermutigt, dass sie diese Kleidung tragen. Es ist also etwas Patriotisches. Wie in Deutschland, wo es wichtig ist, dass jeder Wurst und Sauerkraut konsumiert und Bier. Denn das ermöglicht es den lokalen Produzenten zu existieren.
Wenn man das jetzt auf die Musik überträgt, was heißt das? Denn du produzierst zwar HipHop, arbeitest dabei aber mit afrikanischen Musikern.
Smockey: Burkina Faso ist nicht auf eine Musikrichtung festgelegt, wir sind sehr offen. Das Wichtigste für uns ist Musik! Musik ist nicht nur HipHop, Rock, Reggae oder Jazz, du hast von allem ein bisschen. Es kommt darauf an, ob du es fühlst oder nicht. Ich denke, dass auch traditionelle Musik sehr kraftvoll ist. Es ist die beliebteste Musik überall. In Deutschland zum Beispiel kannst du traditionelle Musik aus Bayern nehmen und sie mit Techno mischen – ich garantiere dir, dass es ein Erfolg wird. In Burkina Faso kannst du Tänze wie den Warba und den Djeka nehmen. Du nimmst verschiedene Klänge und kannst in deinem Text, in deinem Flow immer noch die Wahrheit sagen. Die Musik ist frei, aber die Worte müssen widerspiegeln, wo du lebst. Das ist deine Identität.
Welcher deiner Songs ist denn am populärsten in Burkina Faso?
Smockey: „On Passe À L’Attaque“, auch „Bat Toi À Mon Côté“ mit Soum Bill. Da geht es darum, dass die meisten Leute immer sagen: „Ich steh hinter dir!“ Aber das bringt nichts, es geht darum, dass du nicht hinter rmir kämpfst, sondern Seite an Seite. Schlag nicht meine Eier auf, um dein Omelett zu machen. Du hast selbst Eier zum Aufschlagen, Und so werden wir mehr Omelett haben am Ende. Es ist eine Art Zouglou-Rhythmus, man kann also gut dazu tanzen. Tanzen heißt ja nicht, dass du aufhörst zu denken. Seit der Rumba-Periode, als der Kongo 1960 unabhängig wurde und sie Patrice Lumumba getötet haben, wurde dort getanzt, Rumba, Salsa, „Baby I Love You“. Und so wurde der Kongo zu dem, was er heute ist. Es ist wichtig zu tanzen, aber es ist auch wichtig zu wissen, wie und warum du tanzt. Tanzt du, weil du nicht anders kannst als dich bewegen, oder tanzt du, weil es dich zum Nachdenken bringt? Tanzt du, weil du glücklich bist, oder weil du voller Dynamik bist und etwas ändern musst? Das ist ein anderer Tanz.
Fotos zur Verfügung gestellt von Outhere Records