Musiques Sacrées in Fès, letzter Teil – mit einigen lustigen und erhebenden Erkenntnissen.
Dieses Festival zerfällt in komplett unterschiedliche Gesichter mit ebenso unterschiedlichen Zuhörerschaften.
Die Würdenträger in der Bab Makina-Arena, einschließlich der wichtigen Makhzen-Leute, der königlichen Entrourage.
Die französischen und amerikanischen Touristen im Garten des Batha-Museums und in den eleganten Innenhöfen der Medina: Wer hier noch keine 60 ist, kommt sich blutjung vor. Man ist hier unter sich, die marokkanische Öffentlichkeit nicht präsent.
Und dann dieses Erlebnis, fast eine Erweckung:
Im nächtlichen Garten des Dar Tazi spielen jede Nacht Sufi-Bruderschaften aus unterschiedlichsten Gegenden des Landes. Fast ausschließlich Frauen in Djerbala und Kopftuch strömen hier um 23 Uhr mit kleinen Kindern auf die Teppiche. Nie habe ich die Frauen auf meiner Reise so ausgelassen, fröhlich, ja überschwänglich erlebt, sie lachen und scherzen, es duftet überall ein wenig nach Rosenwasser.
Die Musiker, eine lokale Gruppe, deren Namen ich noch erkunden muss, entern die Bühne, 16 an der Zahl, neun Sänger, Oud, Geige und Hackbrett, drei Perkussionisten. Über eine schepprige Anlage tönt seelenvoller, responsorischer Gesang durch die Nachtluft, so mitreißend und erhebend, man ist vom ersten Moment elektrisiert.
Jetzt kommen auch junge Kerle in den Garten, obwohl sie alle Insignien der US-Kultur am Leib tragen, singen sie jeden Vers dieser heiligen Musik mit, Sprechchöre schallen den Musikern entgegen.
Kinder toben – es ist inzwischen weit nach Mitternacht – über die Teppiche, es herrscht Volksfeststimmung und trotzdem ist das hier ja ein Gottesdienst im wahrsten Wortsinn.
Und ein offenbar gehandicapter Mann, der buchstäblich auf den Teppich geführt werden musste, beginnt plötzlich zu tanzen.
Zum Ende hin erheben sich die Musiker, intensivieren ihre Anrufungen mit feurigem Herzblut. Jetzt sind es die jungen Männer im Publikum, denen man tagsüber in der Medina eher die Zuneigung zum Hiphop als die Hingabe an Sufiklänge zutrauen würde, die fast in Trance auf- und abspringen. Was sich hier beim sogenannten Off-Festival abspielte, das nicht einmal im Programmheft berücksichtigt wird, es war die intensivste musikalische Erfahrung dieser Reise.
Auch wenn die Rückreise morgen um 5h30 beginnt: Ich muss diesen Garten der erhabenen Klänge heute Nacht nochmals aufsuchen.
alle Fotos © Stefan Franzen