Schatzkiste #14: Partyfutter aus Chicago

leroy hutson - feel the spiritLeroy Hutson feat. the Free Spirit Symphony
Feel The Spirit
(Curtom Records, 1976)

entdeckt bei: Second Hand Records Stuttgart

Das prominente Ex-Mitglied der Impressions ließ sich gerne auch mal als Sugar Daddy mit Pelz und noblem Gehstock ablichten – visuelles Pendant zu seiner smarten Womanizer-Stimme. Hier allerdings kommt er funky zur Sache mit einer opulenten Bigband und Streichorchester, die auch mal unverhohlen in den Glitzerkugelbereich einschwenken. Ein bisschen hört es sich an, als hätte er die Essenzen von Earth, Wind & Fire und Kool & The Gang aus dieser Zeit mit ins Klangbad geträufelt. Als Silvesterparty-Platte und glückskeksiges Starter-Kit fürs neue Jahr unbedingt brauchbar.

Leroy Hutson feat. the Free Spirit Symphony: „It’s The Music“
Quelle: youtube

Listenreich: 2014

Die Jahresabrechnung.

Viel Spaß beim affirmativen Nicken und verständnislosen Kopfschütteln.
Und einen guten Rutsch!

ALBEN

jahresalben 2014
1. Simin Tander (Deutschland/Afghanistan): Where Water Travels Home (Jazzhaus Records/in-akustik)
2. The Gloaming (Irland/USA): The Gloaming (RealWorld/Indigo)
3. Susheela Raman (Großbritannien/Indien): Queen Between (World Village/Harmonia Mundi)
4. Tania Saleh (Libanon): A Few Images (Kirkelig Kulturverksted/Indigo)
5. Blitz The Ambassador (Ghana): Afropolitan Dreams (Jakarta/Groove Attack)
6. Iiro Rantala Trio (Finnland/Slowenien/Polen): Anyone With A Heart (ACT/edel)
7. Somi (Ruanda/ Uganda/USA): The Lagos Music Salon (Okeh/Sony)
8. Woima Collective (Deutschland): Frou Frou Roko (Kindred Spirits/Groove Attack)
9. Márcio Faraco (Brasilien): Cajueiro (World Village/Harmonia Mundi)
10. Kasai All Stars (DR Kongo): Beware The Fetish (Crammed/Indigo)
11. Masaa (Deutschland/Libanon): Afkar (Traumton/Indigo)
12. The Heliocentrics feat. Melvin van Peebles (GB/USA): The Last Transmission (Now Again/Groove Attack)
13. Eddi Reader (Schottland): Vagabond (Reveal/Rough Trade)
14. Noura Mint Seymali (Mauretanien): Tzenni (Glitterbeat/Indigo)
15. Prince (USA): Art Official Age (Warner)
16. Toco (BRA): Memoria (Schema/Groove Attack)
17. Springintgut & F.S.Blumm (Deutschland): The Bird And White Noise (Pingipung/Kompakt)
18. 9Bach (Wales): Tincian (RealWorld/Indigo)
19. Jeri Jeri (Senegal): 800% Ndagga (Ndagga/Indigo)
20. Medeski, Scofield, Martin & Wood (USA): Juice (Okeh/Sony)
21. Conor Oberst (USA): Upside Down Mountain (Nonesuch/Warner)
22. Otis Trio (Brasilien): 74 Club (FarOut/H’ART)
23. Meklit (Äthiopien/USA): We Are Alive (Six Degrees/Exil)
24. William Fitzsimmons (USA): Lions (Grönland/Rough Trade)
25. Pheno S. (Mali): Kani (SahelSounds)

TRACKS DES JAHRES

jahresernte tracks 2014
1. „Shababeek Beirut“ (Tania Saleh)
2. „Clouds“ (Prince & Lianne La Havas)
3. „Freedom“ (Iiro Rantala String Trio)

KONZERTE

jahresernte konzerte
1. Kate Bush, Hammersmith Apollo London, 17.9.
2. Jeff Lynne’s ELO, Hyde Park London, 14.9.
3. Turangalîla-Sinfonie, Konzerthaus Freiburg, 14.10.
4. Black Warriors, TFF Rudolstadt, 6.7.
5. Ed Motta, jazznojazz Zürich, 1.11.
6. Billy Bragg, Rosenfelspark Lörrach, 19.7.
7. Hossein Alizadeh, Kath. Akademie Freiburg, 2.11.
8. Simin Tander, Jazzhaus Freiburg, 6.4.
9. Fat Freddy’s Drop, ZMF Freiburg, 18.7.
10. Carminho, Augusta Raurica, 2.8.

FILME

jahresernte 2014 filme
1. Michael Kohlhaas (Arnaud Des Pallières, Frankreich)
2. Timbuktu (Abderrahmane Sissako, Mauretanien)
3. My Sweet Pepper Land (Hiner Saleem, Kurdistan)
4. Die Andere Heimat (Edgar Reitz, Deutschland)
5. Inside Lllewyn Davis (Ethan & Joel Coen, USA)
6. Grand Budapest Hotel (Wes Anderson, USA)
7. Melaza (Carlos Lechuga, Kuba)
8. Get On Up (Tate Taylor, USA)
9. Mittsommernachtstango (Viviane Blumenschein, Deutschland)
10. Snowpiercer (Bong Joon-ho, Südkorea)

BÜCHER

(im Gegensatz zu Tonträgern genieße ich bei Geschriebenem den Komfort, dass ich mich nicht um Aktuelles kümmern muss. Deshalb rutschen Klassiker und Wiedergelesenes hier ebenbürtig rein. Das gilt m.E. auch für die Filme.)

FICTION
jahresernte buecher 2014

1. John Steinbeck (USA): To A God Unknown
2. Taiye Selasi (Ghana): Ghana Must Go
3. Italo Calvino (Italien): Wenn Ein Reisender In Einer Winternacht (SZ Bibliothek)
4. José Saramago (Portugal): Das Zentrum
5. Michael Chabon (USA): Telegraph Avenue

NON-FICTION

1. Thomas Metzinger (Deutschland): Der Ego-Tunnel (Bloomsbury)
2. Burt Bacharach (USA): Anyone Who Had A Heart (Harper)
3. Bernie Krause (USA): Das Große Orchester der Tiere (Kunstmann)
4. Pim van Lommel (Niederlande): Endloses Bewusstsein (Knaur)
5. Graeme Thomson (Großbritannien): Under The Ivy – The Life & Music Of Kate Bush (Omnibus Press)
6. Iris Radisch (Deutschland): Camus (Rowohlt)
7. Byung Chul-Han (Südkorea): Duft der Zeit (transcript)
8. Douglas Rushkoff (USA): Present Shock (Current)
9. Hajo Düchting (Deutschland): Paul Klee – Painting Music (Prestel)
10. Giulia Enders (Deutschland): Darm Mit Charme (Ullstein)

Side Tracks #5: Inder-Gleistanz

dil se

flagge-indien-flagge-button-50x76 Sukwinder Singh & Sapna Awasthi:
 „Chaiyya Chaiyya“
 (aus OST Dil Se, 1998)

Choreographie am Gleiskörper pt. 2. Die Romanze um eine Terroristin aus Kaschmir (Manisha Koirala) und einen Radiomann (zuverlässig kuhäugig verkörpert von Sharrukh Khan) beinhaltet auch die schönste „Zugnummer“ der Bollywood-Industrie, natürlich aus der Feder des „Mozart von Madras“, dem immer noch unumstrittenen Filmmusikkomponisten Nummer 1, A.R.Rahman. Es ist eine Abwandlung eines Sufi-Songs aus dem Punjab, getextet vom Poeten Bulleh Shah. Gedreht wurde tatsächlich während der Fahrt eines Zuges auf der Nilgiri Mountain Railway im Bundesstaat Tamil Nadu. Auf der 46km langen Strecke zwischen Mettupalayam und Udhagamandalam überwindet der Zug 1800 Höhenmeter. Bergwärts braucht man dafür fast 5 Stunden. Bei dem Tempo lässt sich ein Tänzchen auf dem Waggondach wagen.

Sukwinder Singh & Sapna Awasthi: „Chaiyya Chaiyya“
Quelle: youtube

Side Tracks #4: Blinder Gleistanz

bjoerk - selmasongs

flagge islandflagge-grossbritannien-flagge-button-50x75flagge daenemarkflagge schweden  Björk feat. Thom Yorke:
  „I’ve Seen It All“
  (auf Selmasongs, 2001)

Es gibt wenige Songs, die  einen ratternden Zug so genial als  rhythmische Basis verwenden – und das dann auch noch mit Bildern am Gleiskörper choreographieren.  Für mich die grandioseste Szene in Lars von Triers beklemmender Passionsgeschichte Dancer In The Dark um die erblindende Selma Jezkova (Björk). Ich habe mich immer gefragt, ob Thom Yorke, der hier dem Schauspieler Peter Stormare  seine Stimme leiht, den Part nicht selbst hätte spielen können. Für Eisenbahnfreaks: Der Film spielt im Jahre 1964 im US-Bundesstaat Washington, wurde aber bei der schwedischen Stadt Trollhättan gedreht. Zum Einsatz kommt eine dänische Lokomotive des Typs MY, die für die Dreharbeiten zu einer Lok der Great Northern Line umlackiert wurde.

Björk feat. Thom Yorke: „I’ve Seen It All“
Quelle: youtube

Die Mutter der Linderung

oum
Oum El Ghait heißt auf Deutsch „Mutter der Linderung“, und man gibt diesen Namen in der marokkanischen Sahara Mädchen, die an einem Regentag geboren werden. Oum ist eine jener Frauen, die sich Freiheiten in der arabischen Welt erkämpfen, damit sie ihre Kunst und Musik ungehindert entfalten können. In Marokko ist das möglich, dank einer relativ milden Monarchie im Gegensatz zu anderen Staaten, in denen die arabische Revolution gescheitert ist oder Fundamentalisten ihr Unwesen treiben. Die arabische Welt braucht mehr Frauen wie Oum oder die hier schon vorgestellte Libanesin Tania Saleh. Dann wird – so meine Hoffnung – Musik stärker sein als alle religiösen Eiferer. In diesem Kontext empfehle ich über die Feiertage Timbuktu, den erschütternden neuen Film von Abderrahmane Sissako.

Ich danke dem Espace Django Reinhardt in Strasbourg, die Oum eingeladen haben, mir somit ein Interview mit ihr ermöglicht haben (mehr demnächst) und alle paar Wochen ein handverlesenes Konzert mit Musik aus aller Welt veranstalten. Wenn ihr die Gelegenheit habt, besucht diesen Ort!

Oum: „Lik“ (Acoustic Session)
Quelle: youtube

Fado-Vorfreude

carminho gisela joao
Wenn der Winter schon zum zweiten Mal auszufallen droht, kann man sich am besten gleich auf den Frühling freuen. Musikalische Hilfestellung kommt von Portugals Starfadista Carminho. Im Interview hatte sie angekündigt, auf ihrem neuen Album werde sie auch Canções aus eigener Feder präsentieren. In Portugal ist ihr drittes Werk „Canto“ bereits erschienen, in Deutschland gibt es jetzt immerhin den sehr lebhaften, fast schon poppigen Vorboten „Saia Rodada“ – geschrieben hat den allerdings ihr Gatte und Bandgitarrist Diogo Clemente zusammen mit Valter Rolo.

Carminho: „Saia Rodada“
Quelle: youtube

Nach Carminho steht auch schon die nächste Fadista der jungen Generation in den Startblöcken, um Europa zu erobern. Gisela João kommt aus Barcelos im Norden, keiner klassischen Fado-Gegend – was nur zeigt, wie gesamtportugiesisch das Genre geworden ist. In der Heimat hat sie bereits zwei Alben veröffentlicht und ist Ende Januar in den Coliséus von Oporto (23.) und Lisboa (31.) zu sehen. Winterurlauber in Lusitanien sollten das nicht verpassen.

Gisela João: „Meu Amigo Está Longe“
Quelle: youtube

Die verlassenen Strände

Em Memória De Tom

Faz hoje vinte anos que ele morreu. Vor 20 Jahren ist er gegangen, und ohne ihn wäre meine musikalische Sozialisation beträchtlich anders verlaufen. Comemorámos Antônio Carlos Jobim – mit einer seiner schönsten Kompositionen, gesungen von der Frau, die ihn am einfühlsamsten interpretiert hat, die großartige Paula Morelenbaum.

Morelenbaum2/Sakamoto: „As Praias Desertas“
Quelle: youtube

Shnamistoflopp’n

kate bush snowFoto: Public Domain

Es war ihr Jahr – mit einer Serie von 22 Konzerten im Londoner Hammersmith Apollo setzte sie ihrer 35-jährigen Live-Abstinenz ein Ende. Etwas Grandioseres als Before The Dawn gab es in diesem Konzertjahr nicht.  Die drei magischsten Winterstücke von Kate Bush aus drei unterschiedlichen Schaffensphasen.


3. „Under Ice“ (1985)

Die verhängnisvollen Folgen eines Schlittschuhlaufs – und der Beginn des Alptraums „The Ninth Wave“. Ich kann die Bühnenversion auf DVD nicht erwarten.

„Under Ice“
Quelle: dailymotion

2. „50 Words For Snow“ (2011)
Das Titelstück aus ihrem letzten Studioalbum – musikalisch ein eigenartiger Fremdkörper, textlich grotesk: Der Comedian Stephen Fry rezitiert 50 Neologismen über die weiße Pracht aus Bushs Feder. Shnamistoflopp’n – Whippocino – Zhivagodamarbletash.

„50 Words For Snow“
Quelle: youtube


1. „December Will be Magic Again“ (1979)

Der Klassiker. Teil eines Weihnachtspecials, das von der BBC ausgestrahlt wurde und noch einen Tick mehr Sleigh Bells-Kitsch verströmt als die Singleversion mit Band.

„December Will Be Magic Again“
Quelle: youtube

Schatzkiste #13: Serotonin aus Washington

terry huff - the lonely oneTerry Huff & Special Delivery:
The Lonely One
(Mainstream Records, 1976)

entdeckt bei: Second Hands Records, Stuttgart

Ein bisschen paradox ist es schon: Ich kenne kaum eine Soulplatte, die soviel Glücksgefühle erzeugt, und doch geht es in allen Texten um Schiffbruch in der Liebe. Mr. Huff ist ein Falsettmonster aus Washington D.C., der es locker mit Smokey Robinson aufnehmen kann.  Hyperventilierende Streicher, Frühlingswiesen-Oboen, Harfengirlanden – und dazu der  hymnische Countertenor: Was will man mehr? Die akustische Gitarre vom Cover ist übrigens reines Zierwerk, ich hab‘ sie bisher nicht rausgehört.

Terry Huff & Special Delivery: „That’s When Love Hurts“
Quelle: youtube